Wiener Schmäh

Der Kampf von „Krone“-Verleger Dichand gegen die deutsche WAZ-Gruppe geht in eine neue Runde

Lange war es verhältnismäßig ruhig in der Dauerfehde zwischen Österreichs Zeitungspatriarch Hans Dichand und dem deutschen WAZ-Konzern. Doch jetzt geht der 85-jährige Herausgeber des Wiener Boulevardblatts Neue Kronen Zeitung wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nach: seinen Alleinherrschaftsanspruch im Verlagshaus, das immerhin zur Hälfte der WAZ gehört, mit aller Macht durchzusetzen.

Ko-Chefredakteur Michael Kuhn fand letzte Woche ein Entlassungsschreiben auf seinem Schreibtisch. Weil er aber eigentlich nur durch eine gemeinsame Entscheidung beider Gesellschafter, also durch Dichand und die Essener WAZ-Gruppe, abgesetzt werden kann, erschien Kuhn weiter zur Arbeit. Damit wurde es allerdings schwierig, weil Dichand kurzerhand Kuhns Computerzugang wie Diensthandy hatte sperren lassen.

Als er von seinen Rechtsanwälten aufgeklärt wurde, dass er Kuhn nicht einfach feuern könne, ließ Dichand zwar eine Gesellschafterversammlung einberufen. Doch die hat gar nicht stattgefunden, und diesen Montag kam Kuhn dann nicht einmal mehr bis zu seinem Schreibtisch: Der Portier hatte strikte Anweisung, ihn erst gar nicht ins Haus zu lassen.

Nun sind solche Schnurren und Possen im Langzeit-Kleinkrieg Dichand gegen WAZ Legion. Um derlei Streitigkeiten zu schlichten, haben die beiden Hälfteeigentümer sogar ein eigenes Schiedsgericht in Zürich eingerichtet. Vor dieses zog jetzt die WAZ, Kuhn vor das Wiener Arbeitsgericht.

Begonnen hatte der Knatsch um Kuhn schon vor zwei Jahren: Damals installierte Dichand an der WAZ vorbei seinen Sohn Christoph in der Chefredaktion. Nachdem sich der Essener Konzern mit seiner Forderung nach dem Rückzug des Dichand-Sprosses nicht durchsetzen konnte, stellte er ihm seinen Vertrauensmann Kuhn als gleichberechtigten Ko-Chefredakteur zur Seite. – Für den alten Dichand ein beständiges Ärgernis.

„Dichand meint, die Zeitung gehört noch immer zur Gänze ihm“, sagt Friedrich Dragon, der in Wien als Bevollmächtigter für die WAZ fungiert. Kuhn sei ihm dabei im Wege. So habe sich dieser der willkürlichen Versetzung und Entlassung von Mitarbeitern widersetzt. Die WAZ, versichert Dragon, werde Kuhn nicht fallen lassen.

Dichand selbst hat in den Medien immer wieder angedeutet, er werde der WAZ ein Angebot machen, um die Krone wieder zur Gänze in sein Eigentum zu bringen. In Essen, so Dragon, sei ein solches Angebot allerdings nie angekommen.

RALF LEONHARD