: Sie waren beide kampfbereit
LITERATUR In Berlin wird die Kontroverse um Klaus Mann und Gustaf Gründgens neu belebt
Der Name Gustaf Gründgens stand 1944 auf der sogenannten Gottbegnadetenliste, nachdem der totale Krieg ausgerufen worden war. Auf dieser waren neben Gründgens noch 1.040 weitere Künstler aufgeführt, die dem NS-Regime als zu wichtig erschienen, um im Feldzug vernichtet zu werden. Dabei hatte der Theaterintendant und Preußische Staatsrat sich zuvor schon freiwillig kampfbereit gemeldet.
Der Schriftsteller Klaus Mann war zu dieser Zeit bereits Staatsbürger der USA und Angehöriger der U. S. Army. Er kämpfte unter anderem als Propagandatexter gegen Nazideutschland, war in Italien und Südafrika stationiert. Sein ehemaliger Freund und Kollege Gründgens war zuvor Protagonist seines umstrittensten Romans geworden: In „Mephisto“ schuf Mann mit Hendrik Höfgen eine paradigmatische Figur für opportunistische Künstler im NS-Kulturbetrieb.
Die „Klaus Mann Initiative Berlin“ setzt nun den Fall Gründgens/Mann neuerlich auf die Agenda. Frank Träger und Konstantin Rau, Initiatoren des Literaturkreises, sprechen heute im Literaturhaus Berlin mit dem Autor und Theaterwissenschaftler Thomas Blubacher über „Ethos und Diktatur“.
Blubacher legte jüngst die bis dato wohl ausführlichste Biografie zu Gründgens vor, er hat sich zeit seines Lebens mit Gründgens beschäftigt. Dabei darf man am Dienstag eine kontroverse Debatte erwarten, denn die Auffassungen darüber, ob Mann seinen „Mephisto“ eher aus politischen oder aus persönlichen Motiven schrieb, differieren. Zudem gibt es über Gustav Gründgens neuen Streit, seit im vergangenen Jahr erstmals ein nach ihm benannter Preis in Hamburg vergeben wurde.
Die Klaus Mann Initiative Berlin, ein zehnköpfiger Kreis, gründete sich dabei im vergangenen November. „Wir hatten das Gefühl, dass Klaus Mann etwas in Vergessenheit gerät“, sagt Mitgründer Träger, der Politik- und Ethiklehrer in Berlin ist. „Es geschieht häufig, dass Klaus Mann auf ‚Sohn von‘ reduziert wird“, ergänzt Rau, 22, einst Schüler von Träger. Die Verehrung, die er als politischer Schriftsteller bisweilen erfährt, ist dabei oft eher auf linke denn auf literarische Kreise beschränkt. „Wie er seine Freiheit ausgelebt hat und sie dann auch konsequent verteidigt hat, imponiert uns“, sagt Träger. Womit er unter anderem auf Manns Homosexualität anspielt – er spricht lieber vom „Sosein“.
Die Kontroverse um Mann/Gründgens wird die Initiative begleiten, schließlich ist „Mephisto“ ein Schlüsseltext in Manns Werk. Allein die Editions- und Rezeptionsgeschichte bildet den Diskurs gut ab. Das Buch konnte 1936 nur im Amsterdamer Querido Verlag erscheinen. In der DDR kam es 1956, nach Manns Tod, im Aufbau Verlag heraus, während es in der Bundesrepublik das Grundsatzurteil zu dem Roman („Mephisto-Urteil“) gab, wonach das Werk die Persönlichkeitsrechte Gründgens’ verletze (postmortal, da er 1963 gestorben war). Es erschien dann widerrechtlich erstmals 1981 bei Rowohlt.
Darüber, wie heute Gründgens’ Lebenswerk zu bewerten ist, ist man sich auch unter Literatur- und Theaterwissenschaftlern alles andere als einig. Die einen sehen in ihm vor allem den linientreuen Intendanten, andere betonen, dass er seine gehobene Stellung im NS-Regime nutzte, um linken oder jüdischen Kollegen zu helfen (der bekannteste Fall dürfte wohl Ernst Busch 1944 sein).
Dass Gründgens’ Theater aber eine Insel im NS-Staat war, wie einige mit Verweis auf die wenig affirmativen Aufführungen behaupten, scheint vor dem Hintergrund, dass er seinerzeit das „deutsche“ Theater im In- und Ausland wie kein anderer repräsentierte, wenig überzeugend. In einer Biografie von 1999 schrieb Peter Michalzik, Gründgens habe am „kulturellen Vorhang“ des „Dritten Reiches“ „mitgewebt“.
Rau und Träger von der Klaus Mann Initiative Berlin ist indes wichtig, dass sich die Debatte nicht auf den Einzelfall beschränkt, sondern dass man aus ihr Maximen für das Verhalten des (künstlerischen) Individuums in totalitären Regimes generiert. Offen bleibt die Frage, inwieweit die Causa Gründgens zum Paradigma taugt und sich ohne Weiteres auf andere autoritäre Regimes oder Strukturen übertragen lässt. JENS UTHOFF
■ „Ethos und Diktatur. Klaus Mann vs. Gustaf Gründgens“: 18. Juni, Literaturhaus Berlin