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Archiv-Artikel

WTO verurteilt EU-Politik bei Genpflanzen

Scheinbarer Sieg für Argentinien, Kanada und die USA: Gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen nur verboten werden, wenn wissenschaftlich bewiesen ist, dass sie die Gesundheit schädigen. In der EU-Praxis dürfte sich wenig ändern

GENF taz ■ Zweieinhalb Jahre hat ein Streitschlichtungsausschuss der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf beraten, nun wurde ein erstinstanzliches Urteil gefällt: Die USA, Kanada und Argentinien hatten gegen die Einfuhr- und Anbaurestriktionen für gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel in der EU geklagt. Das noch vertrauliche, über tausend Seiten starke Urteil wurde gestern nach Redaktionsschluss der taz zunächst der EU-Kommission in Brüssel sowie den Regierungen der drei Klägerstaaten zugestellt, die über 90 Prozent der genmanipulierten Pflanzen weltweit anbauen.

Nach taz-Informationen traf der dreiköpfige Streitschlichtungsausschuss unter Vorsitz des Schweizer Landwirtschaftsexperten Christian Haberli eine Entscheidung, die insbesondere von den USA als Sieg interpretiert werden dürfte. Denn in dem Urteil werden Moratorien und nationale Einfuhrmaßnahmen als unzulässig bewertet, wenn Gesundheitsrisiken nicht wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen sind. Faktisch dürfte dieses Urteil an der Praxis und Rechtslage in der EU jedoch nichts ändern.

1999 hatte die EU ein Moratorium für die Neuzulassung des Anbaus von Genpflanzen verhängt. Weitere Klagegründe für die USA, Kanada und Argentinien waren aber auch die Verweigerung beantragter Zulassungen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Luxemburg sowie ein nationales Einfuhrverbot für gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel in Griechenland. Diese Maßnahmen hatten zur Folge, dass sich gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel in der EU nicht vermarkten ließen, zumal auch die Verbraucher mit massiver Ablehnung reagierten.

Die Streitfrage, ob bei der Gentechnik nachgewiesene Gesundheitsrisiken vorliegen, wird in dem Urteil allerdings nicht eindeutig beantwortet. Zudem berufen sich die EU und diverse Mitgliedstaaten auf die UNO-Konvention über die biologische Vielfalt sowie auf das „Cartagena-Zusatz-Protokoll zur biologischem Sicherheit“ von 2003. Dieses von den USA nicht ratifizierte Protokoll erkennt ausdrücklich an, dass genmanipulierte Organismen Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt bergen. Staaten seien daher zu vorsorgenden Schutzmaßnahmen nicht nur berechtigt, sondern sogar „verpflichtet“.

Seit 2004 hat die EU ihr Moratorium durch eine Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Nahrungsmittel ersetzt. Diese wird in dem WTO-Urteil nicht beanstandet. Die restriktive Praxis in den EU-Ländern dürfte sich daher fortsetzen. In Genf wird erwartet, dass die USA das Urteil vor allem nutzen werden, um Entwicklungsländer von Maßnahmen gegen die Einfuhr und den Anbau genmanipulierter Nahrungsmittel und Pflanzen abzuhalten.

ANDREAS ZUMACH