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Archiv-Artikel

Gefährlicher Pakt

Nach 100 Tagen im Amt will Polens Premier endlich anfangen zu regieren – mit zwei dubiosen Partnern

WARSCHAU taz ■ Vor 100 Tagen kannte ihn kaum jemand in Polen: Kazimierz Marcinkiewicz. Heute ist der Premier der beliebteste Politiker des Landes. Kindern liest er Märchen vor, alten Menschen verspricht er höhere Renten, Müttern gratuliert er zum Nachwuchs. Auch in der Regierung hat der Ex-Hinterbänkler der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) den Part des guten Onkels übernommen: Geburtenprämien und Staatszuschüsse zu Wohnungskrediten sind seine Lieblingsthemen. „Gute Public Relations“ bescheinigen ihm Beobachter in Polen, aber: „Irgendwann muss er anfangen zu regieren.“

Tatsächlich drohte der Minderheitsregierung bis vor kurzem noch das politische Aus. Der Parteichef der PiS, Jaroslaw Kaczynski, sah sich außerstande, eine stabile Koalition mit der konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO) einzugehen. Dabei schien das vor den Wahlen beschlossene Sache zu sein. Doch die Abmachung „Sollte PO-Chef Donald Tusk Präsident werden, bekommt Jaroslaw Kaczynski den Posten des Regierungschefs“ wurde hinfällig, als die Kaczynski-Zwillinge beide Wahlen gewannen. Jaroslaw zog Marcinkiewicz aus dem Hut.

Nach dem Verhandlungsfiasko mit der PO war die PiS im Abgeordnetenhaus auf die Stimmen der rechtsradikalen Liga der polnischen Familien (LPR) und der populistischen Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) angewiesen. Diese aber ließen sich jede Stimme teuer bezahlen. Ging PiS nicht auf die Forderungen ein, fiel ihr Gesetzesvorhaben durch. Regieren konnte Marcinkiewicz so nicht.

Am letzten Wochenende trauten die Polen ihren Augen nicht. In den Abendnachrichten verkündeten drei Mönche in schwarzer Kutte, dass soeben der „Stabilitätspakt“ unterzeichnet worden sei. Dank Pater Rydzyk aus Torun werde es keine vorgezogenen Neuwahlen geben. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen TVP übernahm die Bilder vom katholischen Privatsender TRWAM.

Halten soll der „Stabilitätspakt“ zunächst zwölf Monate. 144 Gesetzesvorhaben wollen die drei Parteien verabschieden. Die Gleichschaltung der Medien, die noch kritisch über die Regierung und die beiden radikalen Parteien berichten, steht ganz oben an. Im Rahmen der „moralischen Revolution“ soll ein Antikorruptionsamt mit Polizei- und Geheimdienstbefugnissen geschaffen werden, dessen 500 Mitarbeiter aus den Reihen von PiS, Samoobrona und der Liga kommen sollen. Eine parlamentarische Kontrolle ist nicht vorgesehen.

„Nun beginnt der Bau der IV. Republik“, freute sich Jaroslaw Kaczynski. Die moralische Säuberung Polens ist eines der erklärten Ziele der PiS. Der Bauernrebell Andrzej Lepper will die Unabhängigkeit der Nationalbank als Währungshüter aufheben und möglichst viel Staatsgeld unters Volk bringen. Noch ist der Staatshaushalt nicht verabschiedet. Als die Mönche den „Stabilitätspakt“ verkündeten, brach die polnische Börse ein.

GABRIELE LESSER