: Muslime gemeinsam gegen Gewalt
In einem bislang einzigartigen Schulterschluss zeigen sich die Verbände bestürzt über die Eskalation des Karikaturenstreits. Gleichzeitig warnen sie vor einer Stigmatisierung von Muslimen und verurteilen den umstrittenen Einbürgerungstest
AUS KÖLN PASCAL BEUCKER
Von A wie der kleinen, weitgehend unbekannten Avrupa Ehl-i Beyt Alevi Federasyonu (ABAF) bis Z wie dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) – in einem bisher einzigartigen Schulterschluss haben türkeistämmige und islamische Verbände die gewaltsamen Reaktionen auf die umstrittenen Mohammed-Karikaturen verurteilt. Gleichzeitig warnten die gestern in Köln versammelten 16 religiösen, politischen und wirtschaftlichen Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung vor einer drohenden Stigmatisierung der in der Bundesrepublik lebenden Muslime.
Die Eskalation der Gewalt im Zusammenhang mit dem Karikaturenstreit hätten die versammelten Verbände „mit Bestürzung zur Kenntnis genommen“, betonte der Milli-Görüș-Generalsekretär Oguz Ücüncü bei der Vorstellung der Erklärung, zu deren Unterzeichnern auch die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion DITIB, der Islamrat, der Verband Islamischer Kulturzentren VIKZ und der Rat der türkischstämmigen Staatsbürger RTS gehören. „Die Bilder brennender Botschaften stürzen uns in tiefe Sorge“, so Ücüncü. Er appelliere an alle Verantwortlichen zur Mäßigung. Der von einer iranischen Zeitung angekündigte „Internationale Karikaturenwettbewerb zum Holocaust“ sei „makaber“, sagte Ücüncü. Auch im Namen der anderen Verbändevertreter verurteile er „die Hetze gegen Juden aus tiefstem Herzen und religiöser Überzeugung“.
In der auf Deutsch und Türkisch verlesenen Erklärung wird die Veröffentlichung der Prophetenzeichnungen kritisiert. Diese seien eine „bewusste Verletzung religiöser Gefühle und die Verunglimpfung von Religion“.
Mit Blick auf die bundesdeutsche Migrationspolitik betonten die Organisationen ihre Bemühungen „um den Dialog und den gesellschaftlichen Frieden“. Umso mehr seien sie „entsetzt, wenn in der gesellschaftspolitischen Diskussion Muslime stigmatisiert und unsere Integrationsbemühungen zunichte gemacht werden“. In Deutschland sei es immer noch möglich, „durch Wiederholung bestimmter Klischees Fakten zu schaffen und Minderheiten auszugrenzen“. Integration könne nur gelingen, „wenn Muslime als integraler Bestandteil der Gesellschaft geachtet werden“.
Der Einbürgerungstest in Baden-Württemberg wurde scharf kritisiert. Darin würden „in bisher beispielloser Form Vorurteile über den Islam reproduziert und massiv in die Privat- und Intimsphäre sowie die Gewissens- und Meinungsfreiheit der Befragten eingegriffen“. Der Test sei verfassungswidrig und müsse zurückgezogen werden.
Es ist das erste Mal, dass es gelungen ist, ein derartig breites Spektrum an türkeistämmigen und islamischen Verbänden an einen Tisch zu holen – vollzählig ist der Kreis nicht. In der Runde fehlten neben diversen linksorientierten Organisationen wie DIDF die Türkische Gemeinde in Deutschland, die Union Europäisch Türkischer Demokraten oder die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer. Besonders bemerkenswert: die Alevitische Gemeinde Deutschland (AABF) mit ihren immerhin 104 Gemeinden wurde schlichtweg nicht eingeladen, wie ein AABF-Sprecher der taz sagte.
Die Vereinigung meldete sich mit einer eigenen Erklärung zu Wort: „Als Aleviten gehen wir generell vom Grundsatz der Akzeptanz gegenüber anderen Religionen aus und verurteilen ebenso, dass islamisch-fundamentalistische Organisationen und Einzelpersonen europäische Fahnen verbrennen, Menschen europäischen Hintergrunds verletzen und sogar umbringen.“