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Archiv-Artikel

Agitprop aus dem Antiquariat

PLAKATE Mieterkampf war schon mal Thema in der Stadt. Mit einer kleinen Ausstellung erinnert die Berliner Mieter-gemeinschaft daran

In einem Plakat von Kurt Jotter von 1976 taucht der damalige Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) als Vampir auf

VON DETLEF KUHLBRODT

Wenn man in den 80er-Jahren nach Berlin gezogen ist, angezogen von den Kämpfen der Hausbesetzerbewegung, die schon allmählich zu Ende ging, kommt einem diese Zeit zugleich nah und doch sehr fern vor. Nah, weil’s die eigene Jugend ist, weil man mit der Sprache und den Formen des Protests aufgewachsen ist, als taz-Abonnent im fernen Westdeutschland voller Sehnsucht nach Berlin geschaut hatte, weil man oft auf Demos war und in besetzten Häusern übernachtet hatte. Und fern, weil der Faden, der 68, die Proteste gegen Atomkraftwerke, Hausbesetzungen, Subkultur, taz und die verschiedenen alternativen und bunten Listen als Vorläufer der Grünen verband, längst gerissen ist. Das Spektrum des Widerstands „gegen das System“ war schon recht breit, schloss etwa den SEW, die Westberliner Schwesterpartei der SED, mit ein und reichte bis zur RAF oder deren Sympathisanten.

Die kleine Ausstellung von Plakaten der 70er- und 80er-Jahre, von MieterInnen-Initiativen, HausbesetzerInnen und anderen, die die Berliner Mietergemeinschaft in Zusammenarbeit mit dem Prometheus-Antiquariat in der Sonnenallee 101 zeigt, versucht vor dem Hintergrund aktueller Debatten an die große Zeit der Hausbesetzungen zu erinnern, die Anfang der 80er-Jahre endete, als 80 der etwa 170 besetzten Häuser teils unter dem Dach von Genossenschaften legalisiert wurden.

Die 37 ausgestellten Plakate stammen überwiegend aus der Sammlung eines nicht genannten Westberliner Intellektuellen, der den linken Bewegungen verbunden war und seine Sammlung dem Prometheus-Antiquariat vermacht hatte. Außerdem gibt es vier Leihgaben des Plakatkünstlers Kurt Jotter und eine von Ernst Volland.

Teils orientieren sich die Plakate an der Agitpropkunst der Zwanzigerjahre, die Bildmontagen sind etwa von John Heartfield beeinflusst. In einem Plakat von Kurt Jotter von 1976 taucht der damalige Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) als Vampir auf, bei der nackten Dame auf dem Plakat, die der weißen Frau aus dem King-Kong-Film nachempfunden ist, handelt es sich um eine verfilzte Bauunternehmerin jener Zeit. Es gibt Persiflagen auf Berliner Imagekampagnen, Fotomontagen, die die im Zuge einer Durchsuchung des „Rauch-Hauses“ (Bethanien) entstandenen Verwüstungen denunzieren. Aufforderungen zu „Instand(be)setzungen“. Die Namen der Unterstützergruppen klingen teils exotisch. Eine Aktivistengruppe hieß etwa „Kriminaltango“.

Notwendig plakativ

Auch weil es in den Plakaten meist darum geht, in aktuellen Konflikten zu mobilisieren, ist die verwendete Rhetorik notwendigerweise plakativ: auf der einen Seite das gute „Wir“ in den als „kriminelle Fluchtburgen“ gebrandmarkten Häusern; auf der anderen Seite Spekulanten und „die Reichen, die sich problemlos durch legale und illegale Steuerhinterziehung, Spekulation und Zinsunwesen in Millionenhöhe bereichern“, sowie die Berliner CDU natürlich, die durch Gartenzwerge dargestellt wird.

Am bekanntesten aus dieser Zeit sind wohl die Plakate, die vielleicht von Gerhard Seyfried stammen, vielleicht auch nur seinem mittlerweile doch etwas altmodisch wirkendem, humorvollen Stil nachempfunden sind.

Am besten gefällt mir ein Plakat von 1981, auf dem acht bis auf ihre Motorradmützen nackte AktivistInnen auf einem Hausdach stehen und die Aufforderung „Tuwat“ darstellen. „Tuwat“ war eine demonstrationsbegleitete Veranstaltungsserie. Der Name spielt auf den „Tunix“-Kongress von 1978 an, in dessen Folge auch die taz gegründet wurde.

Zwar werden Plakate oft noch ähnlich montiert, die große Zeit der linken Plakatkünstler scheint aber infolge der Medienentwicklung längst vorbei zu sein. Ihre Arbeit wird von Aktivisten übernommen, die ihre Bilder dann über soziale Medien verbreiten.

■ Die Ausstellung in der Beratungsstelle Sonnenallee 101 läuft noch bis zum 29. August und wird von einem Beiprogramm begleitet. Am heutigen Donnerstag (19 Uhr) wird in der Veranstaltungsreihe „Wohnen in der Krise“ über die Situation in Russland diskutiert. Am 25. Juni wird der so berühmte wie selten aufgeführte Besetzerfilm „Schade dass Beton nicht brennt“ von 1981 gezeigt. www.bmgev.de