: Recht auf Würde
AUS JOHANNESBURGMARTINA SCHWIKOWSKI
Der Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen reicht bis nach Südafrika. Ferial Haffajee, Chefredakteurin von Südafrikas wichtigster Wochenzeitung Mail & Guardian, fühlt sich als Zielscheibe des Zorns, da sie selbst Muslimin ist. Als erste und einzige Zeitung hatte der Mail & Guardian am vergangenen Freitag eine der Karikaturen nachgedruckt. Das sorgte nicht nur für ein Gerichtsverfahren, sondern Haffajee musste auch Angst um ihr Leben haben. „Da draußen gibt es Leute, die glauben, es sei ihre Pflicht, mich daran zu erinnern, dass ich bestraft werde“, sagte die Journalistin.
Noch am Erscheinungstag des Wochenblattes wandte sich die südafrikanische Muslim-Organisaion Jamiat-ul Ulama an Südafrikas Oberstes Gericht und erwirkte ein Verbot von weiteren Veröffentlichungen in Südafrika. Südafrikas größte Sonntagszeitung Sunday Times sieht darin einen Schlag gegen die in der Verfassung verankerte Pressefreiheit. Das „South African National Editors Forum“ sagte, das Urteil komme einer Zensur gleich. Das Gericht urteilte, das Recht auf Würde wiege in diesem Fall schwerer als das Recht auf Pressefreiheit.
Die Sunday Times will nun ihrerseits gerichtlich gegen das Urteil angehen. Sie war sich, ebenso wie der Mail & Guardian, der Sensibilität der Karikaturen bewusst, heißt es in ihrer Stellungnahme, sah sich jedoch einem Veröffentlichungsverbot ausgesetzt, noch bevor eine Entscheidung in der Redaktion gefallen war. Der Mail & Guardian hatte sich entschlossen, über das Geschehen und die Reaktionen in anderen Teilen der Welt nach den ersten Veröffentlichungen der Cartoons in Dänemark und Norwegen zu berichten und die Gründe für die Ausbrüche von Gewalt darzustellen. Doch nach dem Gerichtsentscheid zog keine südafrikanische Zeitung mehr die Geschichte nach.
Das Institut für Pressefreiheit in Johannesburg sieht in der Cartoon-Veröffentlichung im Mail & Guardian kein Problem: „Der Abdruck geschah im Zusammenhang einer nachrichtlichen Geschichte zu den internationalen Auswirkungen eines offensiven Themas, es sollte den Herausgebern vorbehalten bleiben, zu urteilen, ob sie den Lesern diese kontroverse Debatte zeigen“, so Jane Duncan, Direktorin des Instituts.
Haffajee hält die Karikaturen für islamfeindlich, wie sie sagt, entschied sich aber dennoch für den Abdruck. „Wir hatten andere Motive als europäische Zeitungen, denn es ging um ein Nachrichtenstück“, verteidigt sie sich gegenüber der taz. Die Haltung der Muslimorganisation „zeigt fehlende Toleranz, und das zerrt an den Nerven“.
In zahlreichen Ländern Afrikas, von Senegal bis Kenia, haben die Mohammed-Karikaturen zu Protesten geführt. In der Millionenstadt Kano im Norden Nigerias, die in den letzten Jahren mehrfach von blutiger Gewalt zwischen Christen und Muslimen geschüttelt wurde, organisierte das Provinzparlament eine offizielle Zeremonie unter Leitung des Parlamentspräsidenten, auf der im Beisein zahlreicher Abgeordneter die dänischen und norwegischen Flaggen verbrannt wurden. Die Parlamentarier beschlossen die Annullierung von Verträgen des Bundesstaates Kano mit Dänemark zum Bau eines Wasserkraftwerks und zur Lieferung von Stadtbussen. In vielen anderen afrikanischen Ländern sind für morgen muslimische Massendemonstrationen angesetzt.