Der zweite Sieger

Der Linksaußen Goran Sprem wäre „genau der richtige für Kiel“, finden Fans des dortigen Handball-Erstligisten THW. Allerdings ist der kroatische Nationalspieler beim Spitzenreiter SG Flensburg-Handewitt unter Vertrag – und fristet dort ein Reservistendasein. Auch nach der Europameisterschaft

Zuerst war er einer von vier Nicht-EU-Ausländern. Drei sind erlaubt

von Christian Görtzen

Sein Gesichtsausdruck bleibt so wie er ist: konzentriert, entschlossen, professionell. Selbst als die Flensburger Fans zunehmend vehementer seinen Namen skandieren, um SG-Trainer Kent-Harry Andersson zu einem personellen Wechsel auf der Linksaußen-Position zu bewegen, hat dies keinen Einfluss auf Goran Sprems Mimik. Die Stellung seiner Mundwinkel hat sich nicht verändert. Er lächelt vermutlich in sich hinein.

Wie er da wieder so sitzt auf der Reservebank der SG Flensburg-Handewitt, unruhig und ungeduldig, wirkt er wie ein Luchs, der auf dem Sprung ist, der am liebsten hochschnellen und zupacken würde. Aber er darf noch nicht. Ginge es nach dem Votum der Flensburger Fans, würde der kleine, enorm flinke Kroate mit dem hohen Stirnansatz viel schneller und deutlich länger zum Einsatz kommen. Meist darf er, wie bei diesem Heimspiel, erst gegen Mitte der Halbzeiten zeigen, was er kann.

Sprem ist bei den Zuschauern in der Campushalle dennoch überaus beliebt – obwohl er auf Linksaußen der Institution Lars Christiansen den Platz streitig machen will. Selbst die Anhänger des erbitterten Rivalen THW Kiel, die naturgemäß selten lobende Worte über Flensburger Spieler verlieren, bringen dem 26 Jahre alten kroatischen Nationalspieler große Wertschätzung entgegen. „Sprem wird immer besser. Er ist superschnell vorne und hat auch schon auf Rechtsaußen ein paar Mal getroffen. Ich würde ihn mit offenen Armen abholen. Der ist genau der Richtige für Kiel“, lautet ein Eintrag im Fanforum auf der THW-Homepage.

Für Kiel und andere ErstligaClubs mag Sprem auf Linksaußen die Traumbesetzung sein. In Flensburg ist er lediglich eine Luxusalternative. Auf Linksaußen gesetzt ist Lars Christiansen. Und an dem 33-jährigen Dänen kommt Sprem einfach nicht vorbei – seit anderthalb Jahren schon, genauer: seit dem 13. Oktober 2004, seinem ersten Tag in Diensten der SG Flensburg-Handewitt.

Mitte Februar 2005 lieh ihn der Verein bis zum Saisonende an den TuS Nettelstedt-Lübbecke aus. Zwar hatte Sprem kurz zuvor seinen Vertrag bei Flensburg bis 2008 verlängert, doch wegen der zeitlichen Verzögerung bei der Einbürgerung von Andrej Klimovets war für ihn kein Platz im Kader: Er war einer von vier Nicht-EU-Ausländern. Drei sind erlaubt.

„Es hilft allen drei Seiten“, sagte Flensburgs Manager Thorsten Storm damals. „Nettelstedt hat für die zweite Saisonhälfte einen Top-Spieler dazubekommen. Goran kann in der Bundesliga über 60 Minuten spielen.“ Und man selbst bekomme dadurch in der neuen Saison „einen Goran Sprem, der ein halbes Jahr in der Bundesliga Erfahrungen sammeln konnte“.

Tolle Aussichten also. Trotzdem blieb alles beim Alten, als Sprem zur neuen Spielzeit wieder in Flensburg war. Die Nummer eins auf Linksaußen heißt für Kent-Harry Andersson weiterhin Lars Christiansen. Zu längeren Einsatzzeiten kam Sprem nur wegen Sören Strygers Kapselriss im Finger während des DHB-Pokalspiels beim THW Kiel. Allerdings nicht auf seiner Stammposition auf Linksaußen, sondern spiegelverkehrt, auf der rechten Seite. Als Ersatz für Stryger. Die Ausbeute war respektabel: Gegen Melsungen traf er elf Mal, beim Champions-League-Spiel in Paris erzielte er 15 Treffer.

„Natürlich fühle ich mich auf Linksaußen wohler, aber die Hauptsache ist, dass ich spiele, egal wo“, sagt Sprem. „Alles ist besser als auf der Bank zu sitzen.“ Er war davon ausgegangen, dass Christiansen den Verein zum Saisonende verlassen würde und somit die Position auf Linksaußen ihm zufallen würde. Es kam anders: Christiansen hat seinen Vertrag Anfang November nochmals verlängert. Bis 2007 wird der Däne auf alle Fälle das SG-Trikot tragen. Es gibt sogar die Option, dass er noch bis 2008 verlängern kann.

Keine guten Aussichten für Sprem, auch wenn er stets betont, sich mit Lars Christiansen bestens zu verstehen. Und ihm nichts Schlechtes zu wünschen. „Lars“, sagt Sprem, „kämpft für sich und seine Familie. So etwas respektiere ich natürlich.“ Er sei jedenfalls nicht zurück nach Flensburg gekommen, um nach zwei Monaten zu sagen: Tschüss, das war’s. So etwas mache er nicht. „Ich bin ein Kämpfer“, sagt er. Einen fairen Wettbewerb um die Linksaußen-Position erhofft sich der Kroate, der mit seinem früheren Verein ZK Zagreb zwei Mal (1997 und ’98) das Finale der Champions League erreichte, beide Male aber gegen den CF Barcelona verlor.

Kent-Harry Andersson hofft im Gegenzug, dass Goran Sprem die Ruhe bewahren wird, falls er weiterhin nur die Nummer zwei auf Linksaußen bleiben sollte. „Lars Christiansen ist beim Wurf von der Position ein bisschen sicherer, er hat mehr Möglichkeiten, mehr Wurfvarianten. Beim Gegenstoß sind sie gleich gut. Es ist auf alle Fälle nicht so einfach, zwei so gute Spieler auf einer Position zu haben“, sagt Andersson.

Die derzeitige Nummer zwei baut darauf, dass ihm, dem Jüngeren, naturgemäß die Zukunft gehört, und dass die Belastung durch die hohe Anzahl an Partien für einen Spieler zu groß ist. „Wir haben 60 Spiele in der Saison“, sagt Sprem. „Das ist ein bisschen zu viel für einen allein.“ Da würde er schon noch zu Einsätzen kommen. Er wolle zudem die Zeit in der zweiten Reihe dazu nutzen, um weiter an sich zu arbeiten, verspricht er. „Natürlich kann ich von einem Spieler wie Lars eine Menge lernen. Er kann mit seiner Hand so viel machen. Lars ist ein unglaublicher Linksaußen, aber ich bin auch nicht schlecht“, sagt Sprem.

Was Goran Sprem bleibt, ist der Trost, im kroatischen Nationalteam eine feste Größe zu sein. Aber auch da gibt’s Enttäuschungen: Am Sonntag ging die Handball-Europameisterschaft zu Ende. Und Kroatien war mit großen Erwartungen in die Schweiz gefahren. Nach dem Olympiasieg 2004 hätte es auch in Basel Gold werden sollen. Am Ende spielte man nur um Platz drei. Und verlor. Ausgerechnet gegen Dänemark. Mit 27:32. Der dänische Linksaußen Christiansen warf ein Tor. Sprem keins.