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Archiv-Artikel

Gelehrte Elite im schönen Schächtelchen

Im Rathaus wird heute die Konstituierung von Deutschlands jüngster Akademie der Wissenschaften gefeiert. Der Nachzügler soll Hamburg als „Metropole des Wissens“ stärken, so der Senat. Akademie hat ehrgeizige Forschungsziele, aber kaum Geld

Von Eva Weikert

Bayern hat sie, Berlin-Brandenburg hat eine – die halbe Bundesrepublik hat welche: eine Akademie der Wissenschaften. Heute schließt die Hansestadt Hamburg auf und feiert im Rathaus die Gründung einer eigenen Gelehrtengesellschaft. Gestern stellte der Vorstand zusammen mit einem Senatsvertreter die ersten Forschungsthemen vor und machte zugleich deutlich, dass die Traditionsakademien kein Vorbild sind. „Wir sind kein Club der alten Herren, sondern definieren uns als Arbeitsakademie“, so Präsident Heimo Reinitzer. Geld für die Projekte muss aber erst eingeworben werden. Der Senat hat das Prestige-Projekt zwar beschlossen, steuert aber kaum Geld bei.

Die meisten deutschen Wissenschaftsakademien haben ihre Wurzeln im 18. oder 19. Jahrhundert. Die Berufung dorthin ist vor allem eine dekorative Ehre. Die Arbeit an Themen ist die Ausnahme. Als erste Mitglieder der Hamburger Einrichtung waren im vorigen Jahr 30 Wissenschaftler aus Norddeutschland ernannt worden (siehe Kasten).

Wie Reinitzer betonte Wissenschaftsstaatsrat Roland Salchow (CDU), „wir machen den Schritt weg von der reinen Gelehrtengesellschaft“. Hamburgs Akademie werde „in organisierten Strukturen wissenschaftliche Fragen von besonderer Bedeutung interdisziplinär bearbeiten“. Ein Kolleg aus Nachwuchsforschern werde die viel beschäftigten Mitglieder unterstützen. Sitz der Akademie seien zunächst die Räume der Jungius-Gesellschaft, die sich im Zuge der Neugründung freiwillig aufgelöst habe, so Salchow. Über ein geeigneteres Gebäude führe er noch Gespräche mit dem Finanzsenator.

Zum Thema macht die Akademie Fragen, „die ins Programm einer wachsenden Stadt und zusammenwachsenden norddeutschen Region passen und Probleme der Zeit betreffen“, sagte Reinitzer. Neben der Nanotechnologie steht als erstes die Erforschung der Zusammenhänge von Umweltveränderungen und Migrationsprozessen an. Die Lehrstätten im Norden könnten ihre Kompetenz in Erdsystemfragen, Klimaforschung, Kulturwissenschaften und Soziologie einbringen, so Reinitzers Vize, der Politologe Cord Jakobeit. Das Projekt sei ein Beispiel für den interdisziplinären Anspruch der Akademie. Geplant sei auch eine Ausstellung über die „Kulturlandschaft des Nordens“ und ein Lexikon zur Gebärdensprache.

„Die Akademie ist ein Baustein in der Gesamtstrategie, Hamburg als Metropole des Wissens weiter auszubauen“, sagte Behördensprecherin Sabine Neumann. Die jährlichen Kosten für die Grundausstattung bezifferte Staatsrat Salchow auf bis zu 700.000 Euro jährlich, von denen die Stadt 90.000 Euro aufbringe. Den Rest spendiere bis 2008 das Mäzenenpaar Greve. Die Projektarbeit müsse über Drittmittel finanziert werden.

Reinitzer ist zuversichtlich, Geld bei Stiftungen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der Union der Wissenschaftsakademien einzuwerben. Die Akademie könne „ein schönes Schächtelchen“ sein, um Geber zu akquirieren.

Die Akademieunion etwa verteilt jährlich 43,2 Millionen Euro Bundesmittel. Förderberechtigt sind aber nur ihre Mitglieder. Ziel der Hamburger Akademie müsse darum sein, in den erlesenen Kreis aufgenommen zu werden. Reinitzer: „Wir wollen an diese Fleischtöpfe rankommen.“