: Ruhestifter Europa
von DOMINIC JOHNSON
Die Grundplanung für eine EU-Militärintervention zur Absicherung der ersten freien Wahlen in der Geschichte der Demokratischen Republik Kongo steht. Der Einsatz soll eine Woche vor dem ersten Wahlgang beginnen und vier Monate dauern. Eine EU-Eingreiftruppe wird voraussichtlich in Gabuns Hauptstadt Libreville stationiert, wo sich die dem Kongo nächstgelegene ständige französische Militärbasis in Afrika befindet. Sie soll kurzfristig in Kongos Hauptstadt Kinshasa einsetzbar sein, falls es dort während und nach den Wahlen zu Unruhen oder politischen Machtkämpfen kommt. Dies ist der Konsens, den die UN-Mission im Kongo (Monuc) und EU-Vertreter letzte Woche bei Verhandlungen in Kinshasa erzielten und der in den letzten Tagen Objekt politischer Gespräche in Berlin gewesen ist.
„Europäische Sichtbarkeit“ in Kinshasa lautet der Schlüsselbegriff der UNO, mit dem sie potenzielle Unruhestifter an höchster staatlicher Stelle von einer Destabilisierung des Kongo während der Wahlen abschrecken will. Einen Einsatz europäischer Truppen im unruhigen Osten des Kongo, wo irreguläre Armeen aktiv sind (siehe Karte), schließen die Planer aus. Vielmehr gebe eine EU-Truppe in Kinshasa verstärkte UN-Kräfte für Kampfeinsätze im Ostkongo frei, wo bereits der Großteil der insgesamt 17.000 UN-Soldaten im Kongo aktiv ist. Nach Auffassung der bestehenden EU-Militärmission im Kongo (Eusec), die den Aufbau von Kongos neuer Armee begleitet, sollten auch die EU-Truppen allerdings über Ausbildung im Antiguerillakampf verfügen.
Der genaue Zeitpunkt des Einsatzes hängt vom Wahltermin im Kongo ab. Dieser verschiebt sich derzeit nach hinten. Ende 2005 stellte Kongos Wahlkommission April 2006 in Aussicht. Am Mittwoch brachte Wahlkommissionschef Apollinaire Malu-Malu in Berlin den 24. Mai als Termin des ersten Wahlgangs ins Gespräch. Dies würde einen EU-Einsatz ab Mitte Mai bedeuten. Jüngste Entwicklungen machen weitere Verschiebungen wahrscheinlich (siehe unten).
Unabhängig davon soll die Ausrüstung der EU-Truppe schon vorab nach Kinshasa gebracht und dort bei der UNO eingelagert werden. Die Monuc bringt dafür einen Termin einen Monat vor den Wahlen ins Gespräch. So könnten EU-Soldaten später auf Anforderung einfliegen und sofort zu ihren Waffen greifen. Erfahrungsgemäß dauert der Beginn eines Militäreinsatzes länger, wenn neben den Soldaten auch ihre Fahrzeuge und Waffen erst noch angeliefert werden müssen. Es wird vor diesem Hintergrund auch überlegt, dass die Truppe gar nicht in Gabun in Bereitschaft zu stehen braucht, sondern auf Abruf in Deutschland bleiben könnte.
Offen ist noch die Größe der Mission und ihre Zusammensetzung. Deutschland will eine führende Rolle vermeiden und dies lieber Frankreich überlassen. Es ist zu vermuten, dass eine von Frankreich dominierte Ad-hoc-Mission zusammengestellt wird, ähnlich wie bei der EU-Operation „Artemis“ im nordostkongolesischen Bunia im Sommer 2003. Damals sicherten die europäischen Truppen die Einsetzung der damals neuen Übergangsregierung aus Kongos Warlords ab. Nun sollen Europäer dafür sorgen, dass diese Regierung friedlich wieder die Sessel räumt.