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Archiv-Artikel

Kommando Sperrstunde

VOR UND ZURÜCK Wie die Stadt Oldenburg bei dem Versuch scheiterte, die Sperrstunde einzuführen

Als sich in einer spätsommerlichen Wochenendnacht 2009 ein betrunkener Student unter dem Gejohle anderer Nachtschwärmer an einem in der Oldenburger Fußgängerzone abgestellten Streifenwagen verging, war für Johann Kühme, damals Leiter der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt / Ammerland, das Maß voll. Eine Sperrstunde sollte her, um alkoholbedingte Exzesse zu reduzieren, schlug der Polizeichef vor. Sie kam auch – nur halten ließ sie sich nicht. Politisch nicht und gesellschaftlich erst recht nicht.

Seit die schwarz-gelbe Landesregierung 2006 die landesweite Sperrstundenregelung kippte und die Wirte seither rund um die Uhr ausschenken durften, habe man in den späteren Nachtstunden eine stetige Zunahme bei den Alkoholdelikten beobachtet, argumentierte die Polizei. Einen neunmonatigen Versuch im Jahr 2010 wertete sie als Erfolg: Die Zahl der Körperverletzungen war beinahe um ein Fünftel zurückgegangen.

Die folgende politische Debatte wirkte von Zeit zu Zeit selbst ein wenig bierselig. Auf der einen Seite standen die Grünen, nach denen eine Stadt „auch mal zur Ruhe kommen“ müsse, die Linken, die eher die Ruhe der Beschäftigten im Auge hatten und der parteilose Oberbürgermeister Gerd Schwandner, der ansonsten gerne mehr Urbanität für Oldenburg einfordert. Auf der anderen Seite die SPD, die die Regelung schlicht „kleingeistig“ nannte, und die FDP, die einen „staatlichen Kaffeeausschank“ heraufdämmern sah. Die CDU fand sich zwischen den Kampflinien wieder, hin- und hergerissen zwischen den Interessen der Gastronomen und dem eigenen Hang zu Law & Order.

Letztlich einigte man sich mit knapper Mehrheit darauf, die Sperrstunde zwischen fünf und sieben Uhr für ein Jahr auf Probe einzuführen. Wiederum verzeichnete die Polizei einen Rückgang der Prügeleien, Pöbeleien und Pullereien – aber als es um die Verlängerung ging, schwenkten Teile der CDU-Fraktion um, und die Sperrstunde wurde mit knapper Mehrheit so unspektakulär gekippt wie ein Kurzer am Tresen.

Und heute? Machen die Gastronomen zu, wann sie es für richtig halten, und das Thema gilt in einem Maße als erledigt, dass die Akteure auf Anfragen mehr als nur ein wenig irritiert reagieren. Die Idee der Sperrstunde scheint sang- und klanglos aus dem Gedächtnis der Oldenburger verschwunden zu sein. Fast wie bei einem Filmriss.  MAIK NOLTE