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Archiv-Artikel

Freier werden aufgeklärt

Zwei Kampagnen klären zur Fußball-WM über Zwangsprostitution auf. Doch dass angeblich 40.000 Frauen unfreiwillig nach Deutschland kommen werden, hält eine der Initiatorinnen für unrealistisch

von WALTRAUD SCHWAB

Gleich zwei Kampagnen prangern in Berlin zur Fußball-WM Zwangsprostitution und Frauenhandel an: Am 3. März startet die Berliner Aktion „Verantwortliche Freier“, initiiert von „Ban Ying“, einer Beratungs- und Koordinationsstelle gegen Menschenhandel. Männer, die Prostituierte aufsuchen, sollen angesprochen und für das Thema Zwangsprostitution sensibilisiert werden. Ban Ying arbeitet seit 15 Jahren mit Frauen, die unfreiwillig im Prostitutionsbereich arbeiten.

Pünktlich zum Internationalen Frauentag am 8. März startet dann die bundesweit ausgerichtete Öffentlichkeitskampagne „Abpfiff – Schluss mit Zwangsprostitution“. Sie wurde vom „Deutschen Frauenrat“ ins Leben gerufen, dem mehr als 50 parteiliche und überparteiliche, konfessionelle und überkonfessionelle Frauenverbände und -vereine angehören. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit wird für beide Aktionen die Schirmherrschaft übernehmen.

Die Fußball-WM gilt den Urheberinnen beider Kampagnen als ideale Plattform, um die Themen Zwangsprostitution und Menschenhandel auf die Agenda zu setzen. Denn das Sportereignis zieht eine große Zahl von Männern an. Entsprechend, so die Vermutung, wird die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen steigen. Immer wieder wurde die Zahl von 40.000 Prostituierten genannt, die zusätzlich nach Deutschland kämen, darunter viele unfreiwillig. Wer die Zahl lanciert hat, lässt sich nach Aussage von Nivedita Prasad, der Projektkoordinatorin von Ban Ying, nicht rekonstruieren. Auch eine Zunahme von Prostitution während der letzten Olympischen Spiele in Athen sei nicht mit Zahlen belegt. Als Vertreterin einer Einrichtung, die eine große Expertise im Bereich Frauen- und Menschenhandel erarbeitet hat, meldet Prasad deshalb Zweifel an. Natürlich könne es sein, dass Frauen aus dem Umland – dazu zähle auch Polen – in Berlin verstärkt sexuelle Dienste anböten. Davon auszugehen, dass es sich um erzwungene Prostitution handle, sei jedoch gewagt. Denn Zwangsprostituierte lebten illegal in den Ländern, wo sie eingesetzt werden. Opfer von Menschenhandel arbeiteten deshalb nicht auf dem Strich, sondern machten Haus- und Hotelbesuche. Die Menschenhändler müssten dafür eine Infrastruktur aufbauen. Für vier Wochen lohne sich so etwas nicht. Außerdem sei massenhaft Polizei unterwegs.

Trotzdem ist Zwangsprostitution ein brisantes Thema. Laut Brigitte Schmidt von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen ist Menschenhandel – u. a. mit Frauen, die in die Prostitution gezwungen werden – das profitabelste Geschäft im Bereich der organisierten Kriminalität. Das gehe aus Untersuchungen hervor. Ohne die Nachfrage der Männer nach sexuellen Dienstleistungen aber gebe es auch keinen Profit.

Deshalb nehmen die Freier eine zentrale Rolle ein, meint auch Prasad. Wenn sie nicht nur ihre eigene Befindlichkeit wahrnähmen, sondern auch die der Frauen, die sie bedienten, wenn sie darauf verantwortungsvoll und nicht egoistisch reagierten, wäre schon viel gewonnen.