: Ist heiß und kann was
ESPRESSO Italiens Vorzeige-Kaffeemaschine ist die Erfindung eines Besessenen
VON GIUSEPPE BOTTERO
Warum kann man zu Hause auf dem Herd keinen guten Kaffee machen? Wenn auch in ganz Italien der morgendliche Espresso nicht wegzudenken ist, für den Sizilianer Nino Santoro bedeutete er immer viel, viel mehr: Er war besessen davon.
Da ihm der Kaffee in einer Bar zu teuer war und ihn die diversen elektronischen Kaffeemaschinen, die er zu Hause durchprobiert hatte, nicht zufrieden stellten, verwirklichte er seinen Traum einer perfekten Maschine – und gab dafür vor fünfzehn Jahren seinen Job als Verkäufer auf. Er nahm alte Mokka-Edelstahl-Maschinen auseinander, baute sie neu zusammen und schuf so eine neue. Die Kosten sind niedrig, weil keine Filter eingesetzt werden, sondern nur ökologischer, gemahlener Kaffee. „Die schlichtesten Dinge halten am längsten“, sagt er.
Sein erster Prototyp stammt aus dem Jahr 1998. Bis sich Nino Santoro das Patent dafür verschafft hatte, dauerte es nur wenige Monate. „Wenn ich mir das jetzt überlege, war es eine absolut verrückte Idee“, erklärt er. „Dieser Produktionsbereich wurde von riesigen Firmen beherrscht, die über jede Menge Experten, Techniker, Chemiker, Laboratorien und Kapital verfügten.“ Trotzdem fand Santoro eine Nische: Er beteiligte Freunde und Verwandte, setzte sich der Skepsis seiner Eltern aus und investierte alles in seine „Kamira“.
Der Kaffee fällt nach unten, die Öle verbrennen nicht
„Mein Vater war unglaublich geduldig. Er überwachte jeden Schritt der Entwicklung. Als das Projekt ins Stocken kam, hat er sich ferngehalten, aber trotzdem war er mein größter Anhänger.“
Seine Kaffeemaschine ist ein Kombination aus Tradition und neuer Technologie. Die Kamira ist wie ein Kugelschreiber: überall einsetzbar. Sie kann jede Hitzequelle nutzen, Gasflammen, Elektroplatten, sogar Holzfeuer. „Man kann sie zu Hause und auf der Arbeit verwenden, sie eignet sich aber auch ganz wunderbar für die Reise, fürs Segeln und fürs Campen“, so sagt Santoro.
Die erste – bewältigte – Herausforderung war die Bürokratie. Es dauerte bis ins Jahr 2003, bis seine Maschine in den Schaufenstern zu sehen war. Die Verkaufszahlen stiegen dann vor allem dank des Internet. Santoros Website wurde von sehr vielen Leuten besucht und die Neuigkeit des märchenhaften Preises – vier Cent für eine Tasse Espresso (in einer italienischen Bar kostet sie einen Euro, hausgemacht mindestens zwanzig Cent) – verbreitete sich schnell in Blogs und sozialen Netzwerken. Hilfreich war außerdem Nino Santoros Erfahrung als Verkäufer – er verkaufte auf Dorffesten und auf Märkten mit fair gehandelten Produkten und mit zu Beginn nur einer Hilfskraft.
Santoro, Anarchist und Geschäftsmann, lächelt und sagt, Kamira habe eine grüne Seele: „Normalerweise ist der Druck, mit dem die Kaffeemaschinen in Bars arbeiten, sehr hoch, fünfzehn Bar, aber unsere Maschine kommt mit drei Bar aus, was im häuslichen Bereich für größere Sicherheit sorgt. Und für eine niedrigere Stromrechnung. Abgesehen von dem ökologischen Vorteil zeichnet sich der Kaffee unserer Maschine durch seinen guten Geschmack aus, denn in der Kamira steigt die Temperatur nie auf 100 Grad, sie erreicht nur etwa 93. Der Kaffee fällt durch die Schwerkraft nach unten, so werden die Kaffeeöle nicht verbrannt und ihr Geschmack bleibt gewahrt.“
Die Kamira kann zwei Tassen Kaffee auf einmal kochen. Und trotzdem ist es undenkbar, dass die Bars in den großen Städten Norditaliens, in die die Leute jeden Morgen in Massen strömen, ihre von den großen Firmen hergestellten Maschinen durch die Kamira ersetzen. Santoro aber ist Anhänger der Slow-Food-Philosophie – und meint auf seiner Terrasse mit Meerblick: „Für echten Kaffeegeschmack lohnt es sich doch, ein paar Sekunden länger zu warten, oder?“
Aus dem Englischen von Heike Brandt