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Archiv-Artikel

Mit dem Libanesen zum Libanesen

HOFFNUNGSLOS Gute Köche bleiben in ihrer Heimat – das, was uns hier als libanesisch vorgesetzt wird, ist daher „ein komplettes Desaster“: Kumin statt Pfefferminze im „Taboulé“ und völlig versalzene „Banadura“

VON KIRSTEN KÜPPERS

Man hätte es vorher wissen können. T. , Libanese aus Beirut, 37 Jahre alt, Angestellter in Berlin, hatte es eigentlich geahnt. Jetzt steht T. in Potsdam in einer Pfütze geschmolzenen Schnees, er schimpft und flucht.

Denn eine leise Hoffnung hatte sich in Ts. Kopf geschlichen. Er hatte an seine Leibspeise gedacht: an Pansen gefüllt mit Kichererbsen, Reis und Hackfleisch. Er hatte sich davontragen lassen von Erinnerungen an gebackene Auberginen. Regelrecht ins Träumen geraten war er auf dem Weg ins „Filmcafé“, einem libanesischem Restaurant in Potsdam, hatte geschwärmt von „Lammpfoten zum Frühstück“, von Bohnengerichten, von Pinienkernen und heißer Jogurtsoße. Aber die Hoffnung wurde enttäuscht. „Dank des miserablen Essens“, schimpft T. , er guckt in den Schneematsch, schüttelt anklagend den Kopf.

Denn es ist so mit den libanesischen Restaurants in Deutschland: „Sie sind nie gut“, erklärt T. . „Niemals.“ Denn ein guter libanesischer Koch gehe nicht nach Deutschland. Er bleibe im Libanon. Dort wüssten die Leute seine Kunst zu schätzen. Denn Essen habe im Libanon einen höheren Stellenwert als in Deutschland. Und es seien sowieso vor allem die Frauen, die gut kochen könnten. „Die Männer kommen nach Hause und legen die Füße hoch“, meint T. . In Deutschland eröffneten libanesische Männer daher meistens Pizzerien. Die italienische Küche sei weniger aufwendig.

Manchmal finde man zwar einen passablen libanesischen Imbiss, erklärt T. . Mit brauchbarem Kebab. „Aber verlange von denen mal Okraschoten in Lammfilet! Dann fangen die Jungs hier an zu rotieren!“, T. lacht bitter. Einmal im Jahr fährt er in den Libanon. „Wegen dem Essen. Das ist meine Hauptmotivation“, ruft er zufrieden. „Die Libanesen habe keine tollen Autos erfunden. Aber was unsere Bäuche angeht – da macht uns keiner was vor!“

Das Problem beim „Filmcafé“ in Potsdam? Der Gastraum sah zunächst ganz vielversprechend aus: Rote Teppiche, auf der Fensterbank traditionelle Musikinstrumente, es roch nach aromatisiertem Tabak aus der Wasserpfeife und der blonde Kellner hatte sogar eine bestickte Weste angezogen. Aber dann fiel T. das Summen des Kühlschranks neben der Theke unangenehm auf. Das Brot roch nicht, wie es riechen sollte. Bei der „Taboulé“, dem typischen Petersiliensalat, fehlte die Pfefferminze, dafür war sie fälschlicherweise mit Kumin gewürzt. Im gemischten Salat „Fatousch“ fand sich Balsamico-Essig statt Zitronensaft. Und für „Kabiz“, eine Vorspeise aus mariniertem Gemüse, hatte der Koch eingelegte Spreewaldgurken benutzt – laut T. „ein komplettes Desaster“. Das Hauptgericht „‚Banadura‘: Rindfleisch, Tomaten, Zwiebeln und Paprika mit sieben orientalischen Sorten von Pfeffer“ war derartig versalzen, dass bei T. der Punkt erreicht war, wo er nicht mehr weiter konnte, wo er nur noch den Teller weggeschoben hat mit einem Knurren: „Ich könnte rot werden vor Zorn!“

Jetzt steht er schlecht gelaunt in der Potsdamer Kälte. Dabei könnte T. wirklich Stunden über Essen reden.