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MICHAEL BRAUN ÜBER ITALIENS UMGANG MIT DEM ÖLDESASTER AUF DEM POKeine Toten, kein Skandal

Da treibt ein dicker, trüber Ölfilm auf dem Po Richtung Adria – und so recht interessiert das in Italien niemanden. Gewiss, die Umweltministerin war da und hat einige Sätze von „Umweltkatastrophe“ in die Kameras gesagt. Gewiss, auch Guido Bertolaso, der allmächtige Chef des Zivilschutzes, der in Italien bei keiner Katastrophe fehlt, ist vor Ort eingetroffen.

Doch Italiens Öffentlichkeit reagiert seltsam unaufgeregt, ja gleichgültig auf das Desaster. Die großen Tageszeitungen verbannen die Ölpest auf die hinteren Seiten, und auch die TV-Nachrichten behandeln sie als zweitrangig – auch wenn festzustehen scheint, dass die Katastrophe mutwillig herbeigeführt wurde, dass wir es also mit einem kolossalen Umweltverbrechen zu tun haben.

Doch vielleicht liegt hier schon eine Erklärung für das Desinteresse: Gerade in diesen Wochen erlebt Italien fast täglich einen neuen Skandal. Erst wurde ein großes Bestechungsnetzwerk rund um den Zivilschutz entdeckt, dann wurde eine Bande von Telekommunikations-Managern und Mafiosi ausgehoben, die 400 Millionen Euro Mehrwertsteuer unterschlagen haben sollen. Unter den Kriminellen: ein Parlamentarier, der mit der kalabrischen Mafia im Bunde war.

Gegen solche Skandale haben es ein paar tote Vögel schwer, in den Nachrichten nach vorne zu kommen. Umso mehr, als in Italien das Öko-Interesse eher gering ausgeprägt ist. Umweltskandale erschüttern nur dann die Öffentlichkeit, wenn es Tote zu beklagen gibt, wie zum Beispiel bei der Schlammflut von Messina im letzten November. Sonst aber hakt Italien auch die härtesten Storys schnell ab – wer erinnert sich noch an die im Mittelmeer versenkten Giftschiffe, erst vor ein paar Monaten ein Thema? Da wundert es nicht, wenn das Land jetzt die Verseuchung des größten Flusses völlig ungerührt zur Kenntnis nimmt.

Der Tag SEITE 2

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