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Archiv-Artikel

Linke schielt auf Rot-Rot-Grün

KOALITIONEN Die Linke weicht ihre Anti-SPD-Haltung auf. Nach Fraktionschef Gysi mahnt auch Ex-Chef Klaus Ernst zu Offenheit gegenüber Rot und Grün

BERLIN taz | Klaus Ernst, Exvorsitzender der Linkspartei, warnt seine Partei vor allzu scharfen Tönen in Richtung Rot-Grün. „Wir dürfen für die Zeit nach der Wahl nicht alle Türen zuschlagen. Wenn unsere Stimmen dazu führen können, dass Merkel fällt, müssen nach dem 22. September Gespräche möglich sein“, so Ernst zur taz. Der Exsozialdemokrat war bisher durch besonders harte Angriffe auf die SPD aufgefallen. Schroffe verbale Attacken auf die SPD gehören zum rhetorischen Arsenal vor allem der gewerkschaftlich orientierten Genossen im Westen.

Die Linkspartei hat sehr gute Aussichten, wieder in den Bundestag einzuziehen, allerdings deutlich schwächer als 2009, als sie noch 11,9 Prozent erreichte. Vor allem die Angriffe auf die SPD, bis 2009 Juniorpartner in der Merkel-Regierung, brachten ihr Stimmen im Westen ein. Doch die Anti-SPD-Haltung fruchtet auch im Westen schon lange nicht mehr. Die Linkspartei will ihre Haltung zur Sozialdemokratie offenbar flexibler gestalten. „Die Frage nach einer Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb wird nach der Wahl sicher rationaler diskutiert. Wenn wir die Chance haben, unsere sozialen Kernforderungen durchzusetzen, müssen wir reden“, so Klaus Ernst. Zuletzt hatte Fraktionschef Gregor Gysi überraschend offensiv Rot-Rot-Grün 2013 oder 2017 ins Spiel gebracht.

Für die Linkspartei im Westen wird auch Hessen richtungweisend sein. Dort wird zeitgleich mit der Bundestagswahl am 22. September gewählt. Scheitert die Partei dort an der Fünfprozenthürde, wäre die Linke in keinem westdeutschen Flächenland mehr im Landesparlament mehr vertreten. Ulrich Wilken, Ko-Chef der hessischen Linkspartei, zur taz: „Es gibt keine rot-rot-grünen Planungen, schon weil SPD und Grüne aufgrund der letzten Umfragen glauben, eigenständig einen Regierungswechsel zu schaffen.“ Die Umfragen sehen Rot-Grün in Hessen bei 3 Prozent vor Schwarz-Gelb, die Linkspartei liegt bei 4 Prozent. Wenn FDP und Linkspartei es aber in den Landtag schaffen sollte, wäre viel möglich: von Schwarz-Grün über Rot-Rot-Grün bis zur großen Koalition.

STEFAN REINECKE