: Great American songbook
Milieustudie in der alten Heimat Minnesota: „A Prairie Home Companion“ (Wettbewerb) von Robert Altman
Es ist gar nicht lange her, da konnte Orson Welles im Rundfunk die Landung von Marsmenschen als News verkaufen. Und die Zuhörer am Radio ängstigten sich zu Tode. In Gegenden wie St. Paul, Minnesota, sitzen die Leute vermutlich heute noch andächtig vor ihren Apparaten und warten darauf, dass wieder etwas passiert – wenn schon nicht Marsianer, dann vielleicht eine kleine Wiederauferstehung? Schließlich ist der Mittlere Westen von Amerika recht gläubig.
Auch Robert Altman ist dort aufgewachsen, auf dem Lande, am Radio, irgendwann vor 70 Jahren. An diese Zeit hat er sich mit „A Prairie Home Companion“ erinnert, in whiskyfarben glänzenden Bildern, wie von Edward Hopper gemalt. Für das Drehbuch war Garrison Keillor zuständig, der als Moderator bereits eine Ewigkeit on air verbracht hat, täglich hören seinem Country-Programm an die vier Millionen Menschen zu.
Die Geschichte ist geradeaus und deshalb schnell erzählt. Nach 30 Jahren muss eine beliebte Radioshow eingestellt werden, weil Investoren das Theater, aus dem live gesendet wird, abreißen und ein Parkhaus errichten wollen. Die Crew lässt sich von dem nahen Ende aber nicht aus der Ruhe bringen und macht bis zum Schluss weiter, als gäbe es morgen noch ein Morgen. Die Johnson-Schwestern (Meryl Streep und Lily Tomlin) singen herzenrührende Balladen, Dusty (Woody Harrelson) reißt Cowboyzoten. Und Keillor? Spielt im Film selbst den Zeremonienmeister, der mit bärchenweich brummender Stimme Rhabarberkuchen und Bebopadoodledee zusammenreimt oder für Kekse wirbt.
Altman liebt solche leicht hermetischen Miniuniversen, an denen er seine Milieustudien betreiben kann. Dabei kommt ihm das Kleindarsteller- und Musikergewerbe offenbar besonders entgegen: Schon in „Nashville“, „Kansas City“ oder zuletzt in „The Company“ war bei ihm nicht der Einzelne, sondern das Ensemble der Star. In dieser Hinsicht fügt sich „A Prairie Home Companion“ gut in Altmans ganz eigenes great American songbook – als Parabel auf jene fast versunkene Kultur der Unterhaltung, in der die Gesten, der Jux und die Dollerei noch handgemacht werden. Industrielle Massenproduktion sieht anders aus. Aber da ist Altman bislang ebenso wenig gelandet wie Orson Welles auf dem Mars. HARALD FRICKE
„A Prairie Home Companion“. Regie: Robert Altman. USA 100 Min. 13. 2., 12 und 18.30 Uhr, Urania, 22.30 Uhr, International, 19. 2., 10, Berlinale-Palast