: Berge weißer Flocken
Der Winterweltrekord: Das schneereichste Dorf der Welt heißt Damüls
Als Reinhardt Wurzel dieser Tage zur feierlichen Weltrekordverkündung in das schneereichste Dorf der Welt fuhr, wurde ihm dieser Schnee selbst zum Verhängnis. Auf der Fahrt hoch nach Damüls im Bregenzer Wald krachte ein Fahrzeug mit drei Snowboardern in das Auto des Abenteuerjournalisten und Hobbymeteorologen. Außer einem Blechschaden ist nichts passiert, und so konnte der „Kältefreak“ aus Nürnberg, wie er sich selbst nennt, den von ihm selbst ausgekundschafteten Weltrekord auf knapp 1.800 Meter Höhe auf einem Berggasthof selbst verkünden.
Reinhardt Wurzel ist der Kälte und dem Schnee seit seiner Kindheit verfallen. Wenn seine Freunde ins Flugzeug steigen und sich auf karibische Strände freuen, ist er schon wieder irgendwo in der Kälte unterwegs. Vor fünf Jahren haben wir auf dieser Seite den frostigen Mann aus Franken vorgestellt, als er von seinem Abenteuerurlaub in Oimjakon, dem kältesten Dorf der Welt, zurückgekehrt war. Vom sibirischen Sternflüstern hat er uns damals berichtet. „Es entsteht dadurch, dass feuchte Luft bei Ausatmen zu tausend Eiskristallen gefriert. Die klirren gegeneinander und machen dann das sibirische Sternflüstern.“
„Als ich vom kältesten Dorf der Welt zurückfuhr, wo ich 61,2 Grad minus selbst erlebt habe – der Rekord von Oimjakon liegt bei 71,2 Grad minus –, da habe ich mir gedacht, ich möchte gern mal sauberen Schnee in Hülle und Fülle erleben, und so fing ich an, nach dem schneereichsten Dorf der Welt zu suchen.“ Es begann eine aufwändige Recherche, schließlich mussten offizielle Wetterdaten, amtlich registrierte Schneehöhenberichte und Niederschlagsmengen auf der ganzen Welt verglichen werden. Überrascht war Wurzel davon, dass es zwar die wärmste Gemeinde der Welt, die blitzreichste, die hagelreichste und die stürmischste Gemeinde gibt, aber noch nicht die schneereichste. Die hat er dann unter einer Reihe „heißer“ Kandidaten schließlich im Bregenzer Wald, hoch oben über dem Bodensee, ausfindig gemacht.
Damüls heißt der 330-Einwohner-Ort, der alljährlich die Snowboarder und Skifahrer in Scharen anlockt. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen habe es gegeben, zum einen mit dem Arlberger Skiort Stuben und mit einigen weiteren Kandidaten in Österreich und der Schweiz. Deutsche Dörfer kommen nicht unter die Top Ten. „In Damüls gibt es seit 1979 amtliche Aufzeichnungen der täglichen Schneehöhen, die auch an die Landeswarnzentrale und den Vorarlberger Lawinenwarndienst weitergegeben werden“, sagt Tourismusdirektor Stefan Bischof, der sich riesig über den Weltmeistertitel freut. Ähnlich ergeht es Bürgermeister Wilfried Madlener, der sich selbstverständlich einen Imagegewinn für seinen Ort erhofft, der vom Tourismus lebt und für den Schneehöhe gleichbedeutend ist mit Schneesicherheit.
Der Gemeindechef erinnert sich an seine Kindheit, an die Schneeberge und die Rutschpartien mit Schulfreunden von den Hausdächern, vom Skifliegen über die Hauptstraße hinweg. „Wir mussten nur warten, bis der Postbus weg war, dann ging es los!“ Noch wilder klingt die Geschichte vom inzwischen verstorbenen Dorfpfarrer Reinhold Zimmer. Der ist schon mal aus dem zweiten Stock aus dem Fenster gestiegen, das Dach hinuntergerutscht und später wieder mit der Leiter zurück ins Pfarrhaus – dann nämlich, wenn die Dorfstraße meterhoch zugeschneit war.
Heute regieren die Schneefräsen und Schneepflüge, die moderne Technik also, und jeder Haushalt hat inzwischen ein solches Räumgerät. Die letzten Tage hat es wieder kräftig geschneit, und es liegen derzeit 160 Zentimeter Schnee. Von den Höchstständen, wie beispielsweise 1999, als die Sessel der Lifte im Schnee versanken, sind die Damülser noch weit entfernt, denn die Wochen zuvor gab es herrliches Winterwetter mit wenig Niederschlägen und viel blauem Himmel und Sonne. Durchschnittlich fallen in dem 1.430 Meter hoch gelegenen Bergdorf 9,30 Meter Schnee pro Winter. „Am Mount Baker in den USA wurde an einer Skistation zwar schon mal eine Schneehöhe von 28,96 Meter gemessen“, erklärt Schneefreund Wurzel, „aber mich hat nicht der schneereichste Platz der Welt interessiert, sondern die schneereichste bewohnte Gemeinde der Welt, und die liegt nun mal hier im Bregenzer Wald.“
Die Vorbereitungen für die Erkundung waren diesmal ganz andere als für die Reise ins kälteste Dorf der Welt. Damals hat der Hobbymeteorologe in den Kühlhäusern eines großen Nürnberger Eisherstellers bei minus 45 Grad trainiert. Diesmal ist er einfach losgefahren und hat dabei weitere Entdeckungen gemacht. Denn sowohl Wurzel als auch die Gemeindeverantwortlichen von Damüls halten es für denkbar, dass der WM-Titel nicht auf immer und ewig in der kleinen idyllischen Berggemeinde bleibt. „Nun ist das Rennen offiziell eröffnet! Als ich hier hochgefahren bin, als ich in Mellau rechts abgebogen bin nach Damüls, da habe ich von Minute zu Minute die Schneeberge wachsen sehen.“ KLAUS WITTMANN