STEFAN KUZMANY über GONZO
: Na, wie läuft’s?

Wer ernsthaft Sport treiben will, der sollte sich im Fitnessstudio anmelden. Das lohnt sich. Immer. So oder so

Es musste sein. Ich hatte schon viel zu lange gewartet. Ich musste es endlich schaffen, ins Fitnessstudio zu gehen. Um mich abzumelden.

Vor einem Jahr war ich ein anderer Mensch gewesen, voller Hoffnung auf ein Leben ohne Bauch und mit dem festen Willen, dreimal in der Woche etwas für meine Gesundheit zu tun. Mindestens. Ich fuhr mit dem Aufzug ins sechste Stockwerk eines großen Kaufhauses nicht weit von meiner Wohnung und stellte mich am Tresen vor: Ich wollte Mitglied werden, schlanker, schöner, jünger. Der Manager, ein untersetzter, muskulöser Mann mit kurz geschorenem Haar, stechend blauen Augen und dem Namen Mike, beglückwünschte mich zu diesem Schritt mit einem festen Händedruck. Dann unterschrieb ich meinen Vertrag. Ein Jahr Mindestlaufzeit, 50 Euro im Monat, aber dafür ein Einkaufsgutschein über 150 Euro. Mike versprach modernste Fitnessgeräte, individuelle Beratung und wünschte mir viel Erfolg, bevor er sich rasch verabschiedete. Ein beschäftigter Mann.

Mit den 150 Euro aus dem Gutschein kaufte ich einen neuen Kühlschrank. Drei Tage später das erste Training. Rosi, meine Trainerin, machte einen Einstufungstest. Das Ergebnis war niederschmetternd bzw. höchst ermunternd. Wie man’s nimmt. Ich hatte offenbar die schlechtesten Fitnesswerte, die ihr in ihrer Karriere bisher untergekommen waren. „Kann ja nur besser werden“, sagte Rosi. Sie stellte mir einen individuellen Trainingsplan zusammen und versprach, mit während des Trainings zu beraten. Tatsächlich sah ich Rosi öfter mal, wenn ich in den folgenden Wochen ins Studio kam. Sie hatte immer einen Kaugummi im Mund und fragte :„Na, wie läuft’s?“ Ich sagte dann immer: „Gut“, keuchte weiter, und Rosi nickte aufmunternd, ging zum nächsten Keuchenden und fragte: „Na, wie läuft’s?“

Der Winter ging, und das Wetter wurde besser, und ich fand immer seltener einen Grund, mich ins Fitnessstudio zu bewegen. Jeden Monat verließen 50 Euro mein Konto, ohne dass ich schlanker, schöner oder auch nur um einen Tag jünger wurde. Dann war das Jahr vorüber. Ich fuhr ins Fitnessstudio. Am Tresen stand Rosi. „Na, wie läuft’s?“, fragte sie. „Sehr gut“, sagte ich: „Ich möchte meinen Vertrag kündigen.“ Rosis Miene verdunkelte sich. Beinahe hätte sie ihren Kaugummi verschluckt. „Das geht nicht.“ – „Warum nicht? In meinem Vertrag steht, dass ich nach einem Jahr kündigen kann.“ – „Wir haben keine Kündigungsformulare da.“ – „Dann schreibe ich meine Kündigung eben auf einen Zettel.“ – „Ich kann die Kündigung nicht annehmen. Ich darf sie nicht unterschreiben.“ – „Warum nicht?“ – „Mike hat es verboten.“ – „Und wo ist Mike?“ – „Mike hat Urlaub. Er kommt am Montag wieder.“

Also kam ich am Montag wieder. „Na, wie läuft’s?“, fragte Rosi. „Bestens“, sagte ich: „Ich möchte meinen Vertrag kündigen.“ – „Ich kann die Kündigung nicht annehmen.“ – „Wo ist Mike?“ – „Mike hat Urlaub. Er kommt am Montag wieder.“

Das Spiel hatte offenbar Methode. Und wenn ich heute nicht kündigte, dann würde sich mein Vertrag automatisch um einen weiteren Monat verlängern. „Mike hat aber viel Urlaub“, sagte ich. Rosi schien irgendwie noch nervöser als beim letzten Mal. Sie warf einen Blick zum Büro des Managers. Ich drehte mich um. Und sah gerade noch, wie Mike schnellen Schrittes das Studio verließ. „Mike!“

Er reagierte nicht. Ich hinterher. Mike beschleunigte. Er war jetzt auf der Nottreppe. Ich war nahe genug dran, um zu sehen, wie er im vierten Stock ins Kaufhaus wechselte. Mike im Laufschritt. Ich geriet ins Schwitzen. „Mike!“ Mike auf der Rolltreppe, jetzt wieder hinauf. Eine Gruppe von Teenagern blockierte die Treppe. Ich holte auf. Mike pflügte sich durch die Menge. Es half ihm nichts. Ich holte ihn ein: „Ich … kündige!“

Heftig schnaufend hielt ich ihm meinen Brief hin. Und einen Kugelschreiber zum Quittieren. „Ich habe Urlaub. Ich komme am Montag wieder“, sagte Mike. Aber die Sache war gelaufen. Und ich erst! Tat richtig gut. Sollte ich öfter machen.

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