: Das Image mit der Waffe polieren
Die Sozialwissenschaftlerin Christine Eifler sieht auch in kulturellen Prozessen einen Kriegsgrund. Ein zentraler Punkt: die Verschiebung von Geschlechtsidentitäten
taz: Frau Eifler, gerade scheinen wir mit dem Konflikt um das iranische Atomprogramm wieder auf einen Krieg zuzusteuern. Was kann die Geschlechterforschung in so einer Situation erhellen?
Christine Eifler: In der Regel geht man davon aus, dass Kriege auf politischen und ökonomischen Auseinandersetzungen beruhen. Wir dagegen denken, dass auch kulturelle Prozesse eine Rolle spielen. Die Frage wäre dann, warum man irgendwann meint, einen Konflikt nur auf militärische Art lösen zu können. In diesem kulturellen Prozess haben wir oft eine Verschiebung von Geschlechtsidentitäten beobachten können. Eine Erschütterung des traditionellen Männerbildes beispielsweise, das durch den kriegerischen Konflikt wieder aufpoliert werden soll. Auf den jetzigen Konflikt kann man das nicht so freihändig übertragen, es gibt insgesamt viel zu wenig Forschung in diesem Bereich.
Wie sah die Verschiebung der Identitäten im Fall des Kosovokrieges aus?
Das war wie in vielen Konfliktfällen: Ihnen geht ein Sexualitätsdiskurs voraus, in dem nationale oder ethnische Probleme an Geschlechtersymbolen diskutiert werden. Es geht in diesem Zusammenhang um eine angebliche Überfremdung durch die andere Ethnie, deren Kinderreichtum als eine nationale Bedrohung konstruiert wird. Diese Diskurse, das konnte man etwa in Serbien nachweisen, waren mit den angeblich überzogenen Emanzipationsbestrebungen der Frauen verbunden. Die Frauen sollten weniger erwerbstätig sein, sondern vielmehr ihre nationale Pflicht erfüllen und möglichst viele Kinder gebären. Man bildet also auch über Geschlechterdiskurse kollektive Identitäten aus, in denen die Frau in der Rolle der Mutter zum Symbol der Gemeinschaft wird.
So gesehen wäre Krieg eine Art zivilisatorischer Rückfall in archaische Stereotype, die die Frauen besonders zu spüren bekommen?
So ungefähr. „Wir müssen unsere Frauen schützen“ ist eine grundlegende Metapher für militärische Gewalt. Im Kosovokrieg war etwa die Befürchtung, dass die anderen „unsere“ Frauen vergewaltigen, eine Motivation für Soldaten. Die eigenen Frauen nicht schützen zu können wurde in den serbischen Medien als besondere Gefahr hochstilisiert – obwohl die staatlichen Statistiken über die Vergewaltigungshäufigkeit dem widersprachen. In der nationalistischen Propaganda jedoch erschien die Misere der serbischen Nation als Schwäche serbischer Männlichkeit.
Das Argument, „Frauen zu schützen“, findet sich auch bei der Rechtfertigung internationaler Interventionen, etwa in Afghanistan. Schaut man jedoch genauer hin, zeigt sich, dass in vielen Regionen die konkreten Problemlagen von Frauen von Interventionskräften wenig beachtet werden.
Sie sagten, im Vorfeld von Kriegen würden Geschlechtsidentitäten von Männern erschüttert. Wie kommt es dazu?
Dazu kommt es etwa durch ökonomische Krisen, in denen Männer wegen mangelnder Beschäftigungsmöglichkeiten ihre Ernährerrolle nicht mehr ausüben können. Das verändert ihre Interessenlage nachhaltig. Es gibt Männer, die ihr Männerbild durch eine Kalaschnikow wieder stabilisieren wollen.
Daran kann man mit soziologischen Erkenntnissen über Männlichkeitskonzepte wahrscheinlich wenig ändern, oder?
Doch, das denke ich schon. Erst einmal gilt es, stärker zu berücksichtigen, dass diese kulturellen Genderdynamiken für Konflikte eine wichtige Rolle spielen. Die in Krisenregionen intervenierenden Organisationen der internationalen Gemeinschaft müssen soziale und kulturelle Angebote entwickeln, in denen ein Mann auch ohne Waffe vorstellbar ist und Frauen nicht nur als Opfer wahrgenommen werden. Nicht nur im Kosovo wurden Frauen Ausbildungsangebote zum Frisieren und Stricken gemacht, obwohl es sich zum Teil um hochqualifizierte Akademikerinnen handelte.
Wie ist es um die legendäre Friedfertigkeit der Frau aus Ihrer Sicht bestellt? In Umfragen sprechen sich wohl immer wieder mehr Frauen gegen Krieg aus als Männer.
Ja, wenn es um den konkret drohenden Krieg geht, mag das so sein. Aber wir wissen ja schon lange, dass Frauen bei den tiefer liegenden Gründen für solche Konflikte, bei der Stereotypenbildung etwa, der Abgrenzung gegen die andere Gruppe, ebenso beteiligt sind wie Männer.
INTERVIEW: HEIDE OESTREICH