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Archiv-Artikel

Es geht rückwärts

LOBBYISMUS Nebeneinkünfte von Abgeordneten und Politikern, die Wirtschaftsinteressen vertreten: Schwarz-Gelb hat fast alle Initiativen für mehr Transparenz verhindert, bilanziert eine Studie

BERLIN taz | Eckart von Klaeden, ab Herbst Cheflobbyist von Daimler, sitzt noch immer als Staatsminister an Angela Merkels Kabinettstisch. Klaeden ist nicht der Einzige, der direkt aus der Politik in die Wirtschaft wechselt. Es gibt auch weniger spektakuläre Fälle mit ähnlichem Werdegang, die nicht minder problematisch sind. Zum Beispiel Bernd Pfaffenbach, der lange als „Merkels Sherpa“ bei G-8-Gipfeln für Finanzmarktregulierung zuständig war. 2011 wechselte er zu der US-Bank JP Morgan. Dort kann er als Berater Insiderkenntnisse und Kontakte versilbern.

Grüne und Linkspartei fordern schon seit Längerem Karenzzeiten, um solche Drehtürkarrieren zu verlangsamen. Es geht dabei nicht um ein Berufsverbot für Expolitiker, wie die FDP gelegentlich polemisch verlauten lässt. Vielmehr soll, so die Idee der Grünen, eine Ethikkommission in Zweifelsfällen prüfen, ob das Selbstverständliche bei den Post-Politiker-Karrieren eingehalten wird: dass Leute, die mit öffentlichen Geldern bezahlt wurden, aus ihren dort erworbenen Kenntnissen nicht unlauter Kapital schlagen. Vergeblich: Union und FDP mauern.

Schwarz-Gelb, so das nüchterne Resümee von Lobbycontrol, hat fast alle Initiativen, um „mehr Transparenz bei Lobbyisten herzustellen, verhindert“. Die Organisation legte gestern in Berlin eine 40-seitige Studie vor. In keinem Feld wurden entscheidende Fortschritte erzielt – nur Peer Steinbrücks üppige Nebeneinkünfte sorgten dafür, dass Abgeordnete nun detaillierter darlegen müssen, was sie jenseits des Bundestags verdienen. Allerdings nicht auf Euro und Cent genau, das verhinderte Schwarz-Gelb.

Bei zentralen Feldern, die eher im Schlagschatten des öffentlichen Interesses liegen, ist nichts passiert. So gibt es, anders als in den USA, kein verbindliches Lobbyregister, das der Öffentlichkeit ermöglicht, zu wissen, wer in Berlin in wessen Interessen antichambriert. Gleiches gilt für die Parteienfinanzierung und die Korruption von Parlamentariern. Die schwarz-gelbe Mehrheit sperrt sich trotz heftiger Kritik, die mittlerweile sogar von Unternehmen wie Siemens und Daimler zu hören ist, die UN-Konvention gegen Korruption umzusetzen. Begründung: Das würde die Freiheit der Abgeordneten zu sehr einschränken.

Merkels Strategie, so die AutorInnen der Lobbycontrol-Studie, Christina Deckwirth und Timo Lange, scheint klar: Weil bei Lobbyismus „eher die Opposition punktet, meidet Schwarz-Gelb das Thema“. Es geht also nicht vorwärts, sondern rückwärts. „Der Staat öffnet sich mehr für Lobbyeinflüsse“, so die AutorInnen. Außerdem, so der Befund, sind „die Lobbydienstleister spezialisierter und professioneller geworden“. So verschieben sich die Machtverhältnisse unmerklich zugunsten wirtschaftlich einflussreicher Gruppen.

STEFAN REINECKE