Die Prozedur

BRECHMITTEL Gutachter sind sich auch im dritten Verfahren nicht darüber einig, wie Laya Condé starb – nur darin, dass sein Tod durch mehrere Faktoren ausgelöst wurde. Den angeklagten Polizeiarzt entlastet das

Entgegen den Befürchtungen, das Brechtmittel-Verfahren könnte eingestellt werden, sind neue Termine festgelegt worden.

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Am Mittwoch sind im dritten Brechtmittel-Verfahren gegen den Polizeiarzt Igor V. erneut die beiden begleitenden Gutachter angehört worden. Der aus Sierra Leone stammende Laya Condé starb nach einer Brechmittel-Zwangsvergabe der Polizei im Januar 2005. Wie in den beiden vorherigen Verfahren sind sich die Gutachter uneins, ob Condé an der Magenspülung ertrank oder zuvor sein Herz versagte. Beide attestieren, dass sein Tod mehrere zusammenfallende Ursachen hatte.

Zwei Verfahren gegen V. hatte das Landgericht zuvor mit Freisprüchen beendet, die beide vom Bundesgerichtshof wieder aufgehoben wurden. Als „fast grotesk falsch“ wurde das jüngste Urteil beanstandet. Der Fall ist hinlänglich bekannt. Und doch lässt es einen erschaudern, wenn Gutachter Klaus Eyrich, Professor für Notfall-Medizin, schildert, was er die „Prozedur“ nennt. An ihrem Ende steht Condés Tod. Dem Mann aus Sierra Leone seien auf dem „vorhandenen Untersuchungsstuhl“ die Hände im Rückenbereich fixiert worden. Die Polizisten wollen Drogenkügelchen sichern, die Condé als mutmaßlicher Dealer verschluckt haben soll. Sie flößen ihm Brechmitteln ein, durch eine Nasensonde wird Wasser nachgepumpt. „Herr Condé zeigte sich nicht kooperativ“, so Eyrich. „Das Einführen der Sonde durch die Nase musste mehrfach durchgeführt werden.“ Condé soll versucht haben, das Erbrechen zu verhindern. Eyrich spricht von einer „Geräusch-Kulisse“, von einer „Mischung aus Würgen, Rülpsen, Räuspern“. „Er hat offensichtlich kontinuierlich aspiriert“, sagt Eyrich – also Wasser in die Atemwege bekommen. Mehrfach habe Igor V. mit einem Spachtel versucht, in Condés Rachen den Brechreiz anzuregen.

Der zweite Gutachter, Rechtsmedizin-Professor Volkmar Schneider vertritt die Ansicht, Condé sei dabei nicht ertrunken, eher habe der psychische Stress Herzrhythmus-Störungen ausgelöst. Er spricht auch von einer möglichen „psychogenen Belastung“: „Man kennt das auch bei Menschen aus anderen Kulturkreisen“, nennt Experimente mit Wildratten.

Ob Condé während der Behandlung das Bewusstsein verliert – ungewiss. Fest steht: Sie wird unterbrochen, ein Notarzt hinzugerufen. Eyrich sieht bei ihm das Fehlverhalten: Er habe Condé nicht korrekt untersucht. „Wenn nicht weitergemacht worden wäre, säßen wir heute nicht hier“, sagt er. Irgendwann ist Condé „wie leblos“, man legt ihn hin, aus Mund und Nase rinnt das Wasser, so viel, dass der Notarzt erst nicht intubieren kann. Folge: Die Reanimation dauert „mindestens eine Minute zu lang“, so Eyrich und merkt an: Dass Condé Wasser geschluckt hat, sei durch sein Sträuben verursacht. Igor V. sei als Arzt nicht ausreichend ausgebildet gewesen. jpb