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Archiv-Artikel

„Paradigmenwechsel“ bei Hilfe für Kongo

UNO fordert verdreifachte humanitäre Hilfe auf Kongo-Geberkonferenz in Brüssel. Ein internationaler Kongo-Hilfsfonds soll ab März Gelder dafür sammeln. Kongos Planminister warnt: Nach den Wahlen hat die neue Regierung „drei Monate Gnadenfrist“

FRANÇOIS MISSER (BRÜSSEL) UND DOMINIC JOHNSON

Mit einer Verdreifachung der humanitären Hilfe will die UNO verhindern, dass die Demokratische Republik Kongo nach den für dieses Jahr geplanten Wahlen zurück in den Krieg schlittert. Die UN-Abteilung für humanitäre Hilfe (Ocha) stellte gestern auf einer Geberkonferenz in Brüssel gemeinsam mit der EU einen „Aktionsplan 2006“ im Umfang von 682 Millionen Dollar für den Kongo vor, der ein „Paradigmenwechsel“ sein soll. Schwerpunkte sind „direkte Hilfe für Gemeinschaften in Gebieten großer Bedürftigkeit“ und „Unterstützung für nachhaltige Reintegration“. Im März soll ein internationaler Kongo-Hilfsfonds entstehen, in den Hilfsgelder eingezahlt werden können.

Ocha-Chef Jan Egeland malte ein düsteres Bild der Lage im Kongo knapp drei Jahre nach dem offiziellen Kriegsende. Noch immer sterben täglich 1.200 Kongolesen an den Folgen von Krieg; noch immer gibt es jeden Monat 40.000 neue Vertriebene; 71 Prozent der Bevölkerung haben nicht genug zu essen, 57 Prozent haben keinen Zugang zu sauberem Wasser.

Im Jahr 2005 hatten die UN-Hilfswerke für den Kongo knapp 220 Millionen Dollar erbeten und 128,5 Millionen bekommen. Für 2006 war der Hilfsbedarf zu Jahresbeginn bereits auf 738 Millionen Dollar Nothilfe und 430 Millionen Dollar Aufbauhilfe veranschlagt worden. Erst jetzt liegen jedoch konkrete Projekte vor. Die veranschlagte Gesamtsumme ist dabei sogar leicht gesunken. Neben der humanitären Nothilfe geht es auch um Wiederaufbau nach den Wahlen, in Koordination mit der Weltbank.

Der Kampf gegen Armut sei verknüpft mit dem Friedensprozess, sagte Belgiens Außenminister Karel De Gucht in seiner Eröffnungsrede. Kongos Planminister Alexis Thambwe, aus Kinshasa angereist, wurde deutlicher: „Nach den Wahlen wird die neue Regierung eine Gnadenfrist von drei Monaten haben, um zu zeigen, dass sie die Dinge verändern wird. Sie kann das nur, wenn sie finanziell von der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird.“

EU-Entwicklungskommissar Louis Michel kündigte daraufhin zusätzliche Kongohilfen der EU-Kommission in Höhe von 38 Millionen Euro an. Großbritannien versprach 60 Millionen Pfund (87 Millionen Euro) über zwei Jahre, die belgische Regierung machte diverse neue Hilfszusagen in Höhe von 13,5 Millionen Euro. Die deutsche Bundesregierung machte keine Zusagen, da sie die Brüsseler Konferenz nicht als Geberkonferenz wertete. Im Bundesentwicklungsministerium BMZ wurde gegenüber der taz von „Zurückhaltung gegenüber dieser Art von Konferenz“ gesprochen. Das Hilfswerk Oxfam kalkuliert in einer gestern vorgelegten neuen Studie, bei einer fairen Lastenverteilung müsste der deutsche Beitrag zum „Aktionsplan 2006“ bei 56,44 Millionen Dollar liegen. Nach BMZ-Angaben belief sich die deutsche Hilfe für Kongo 2005 auf 24,35 Millionen Euro Neuzusagen.

Heute wird im Sicherheitspolitischen Komitee der EU über die UN-Bitten um eine EU-Eingreiftruppe zur Absicherung der kongolesischen Wahlen diskutiert. De Gucht erklärte, eine Entscheidung würde im EU-Ministerrat am 24. Februar fallen. Seiner Ansicht nach werde die Truppe in Europa in Bereitschaft stehen. Belgien werde sich nicht mit Truppen beteiligen.