: Im Erdbebengebiet kommt jetzt die Armee zum Einsatz
CHILE Nach vielen Plünderungen tritt eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft. Zahlreiche Nachbeben
AUS PORTO ALEGRE taz | Zwei Tage nach dem verheerenden Erdbeben bemühen sich die ChilenInnen um eine Bestandsaufnahme und, wo möglich, um eine Rückkehr zur Normalität. Hilfsgüter effektiv verteilen und weitere Plünderungen unterbinden, so lauten die Prioritäten der Regierung. Immer wieder verbreiteten starke Nachbeben Angst und Schrecken.
Im Großraum Concepción, wo rund eine Million Menschen leben, verhängte die Regierung von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens eine Ausgangssperre, nachdem dort Supermärkte und Apotheken geplündert worden waren. 8.000 Soldaten sollen jetzt für die „Ruhe der Bürger“ sorgen, kündigte Verteidigungsminister Francisco Vidal an. „Wir sind keine Diebe“, sagte ein Mann im Fernsehen, „wir wollen schon zahlen, aber nichts funktioniert.“ Concepcións rechte Bürgermeisterin Jacqueline van Rysselberghe machte die Regierung für das „Chaos“ verantwortlich: „Es darf doch nicht sein, dass die Menschen verhungern müssen“, ereiferte sie sich. Am Montagmorgen wurde die Festnahme von 55 Plünderern gemeldet.
In ganz Chile kamen nach Regierungsangaben mindestens 711 Menschen ums Leben, hieß es am Sonntagabend. „In den Küstenregionen hat ein Tsunami ganze Ortschaften fortgerissen“, erklärte Innenminister Edmun-do Pérez Yoma, „je mehr Zeit vergeht, desto mehr schlechte Nachrichten werden wir bekommen.“
Apokalyptische Szenen spielten sich am Küstenstreifen nördlich von Concepción ab. Den Sonntag über schleppten Helfer Leichen, die an die Küste gespült wurden, in die Sporthalle der Kleinstadt Constitucíon und bahrten sie dort auf. Vier Fünftel der historischen Altstadt lagen in Trümmern, Strom- und Wasserversorgung waren unterbrochen. Augenzeugen berichteten, am Samstagmorgen seien meterhohen Sturmwellen über den Ort hereingebrochen.
Der neue Staatschef Santiago Piñera, der sein Amt am 11. März antritt, versuchte sich zu profilieren. „Richten wir Chile wieder auf“ nennt er seinen Plan zum Wiederaufbau, bei dem Privatunternehmen eine wichtige Rolle spielen sollen. Er appellierte an die Solidarität der Unternehmer und forderte die Regierung auf, „die öffentliche Ordnung wiederherzustellen“. GERHARD DILGER