: STRASSENKAMPF FÜR RUDI DUTSCHKE
Die CDU will die Rudi-Dutschke-Straße in Kreuzberg verhindern. Heute startet sie ihr Volksbegehren. Basisdemokratie gefällt der taz. Daher sammeln auch wir Unterschriften – für die Dutschke-Straße. Und nennen fünf Gründe für diesen Straßenkampf. Ihre Stimme zählt!
Warum eine Dutschke-Straße? Rudi Dutschke hat die jüngere Vergangenheit Berlins wie der Bundesrepublik Deutschland geprägt. Er hat als Studentenführer eine gesellschaftliche Bewegung mit ausgelöst und getragen. Dutschke steht für die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Er steht für die Bereitschaft, für Veränderung zu leben und zu kämpfen. Für Gegenöffentlichkeit und widerspenstiges Querdenken. Das ist Teil der Geschichte Berlins, das passt aber vor allem zum hoch politischen Bezirk, zu den Einwohnern von Kreuzberg und Friedrichshain. Die taz hat im Dezember 2004, zum 25. Todestag Dutschkes, die Initiative „Berlin braucht eine Dutschke-Straße“ angestoßen, um die Persönlichkeit Rudi Dutschke zu würdigen.
Warum hat die CDU etwas dagegen? Die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg hat im August 2005 die Umbenennung des östlichen Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße beschlossen – mit den Stimmen von Linkspartei und Grünen. Doch jetzt will die CDU diesen Beschluss kippen. Sie verunglimpft Dutschke als „zweifelhafte historische Persönlichkeit“ und „Gegner der Demokratie“. Und startet ein Bürgerbegehren. Ab heute sammelt sie ein halbes Jahr Unterschriften unter den Wahlberechtigten des Bezirks über 16 Jahren – gegen die Dutschke-Straße.
Warum nimmt die taz den Straßenkampf auf? Die taz hat nichts gegen das Bürgerbegehren der CDU. Im Gegenteil. Im langen Prozess der Straßenumbenennung war es die taz, die immer wieder Bürgernähe gesucht hat – etwa bei der Bürgeranhörung am 31. Mai 2005. Doch gilt: Wenn Bürgerbegehren, dann richtig. Daher startet die taz eine eigene Unterschriftenaktion. Im Meinungswettstreit sind alle zum Mitmachen aufgefordert, alle diskutieren Dutschke, am Ende siegt die Mehrheit. Mehr Bürgerbegehren geht nicht.
Warum ist die Dutschke-Straße nicht nur Angelegenheit der Anwohner? Die taz kann verstehen, dass einige Anwohner der jetzigen Kochstraße sauer sind, weil auf sie (wenn auch geringfügige) Kosten zukommen – etwa durch den Druck neuer Visitenkarten oder Briefbögen. Dennoch: Der Name einer Straße ist nicht nur Angelegenheit der Anwohner allein. „Diese Namen sind allgemeines Gut, in ihrer Symbolik sogar ein Kulturgut“, schrieb der Historiker Jürgen Karwelat in einem Gutachten für das Bezirksparlament. Die Rudi-Dutschke-Straße würde auf die Axel-Springer-Straße treffen. Wie könnte man einer Schulklasse, sagen wir aus dem württembergischen Gerabronn, besser die Geschichte der Studentenbewegung und ihres schärfsten Widersachers, Axel C. Springer, nahe bringen? An jener Straßenecke, an der sich die Studenten am Abend des 11. April 1968, nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, versammelten, um vor dem Springerhochhaus mit Plakaten wie „Bild schoss mit“ zu demonstrieren? Eine solche Straßenecke wäre gelebte Geschichte. Eine gebrochene Geschichte, wie sie für Berlin typisch ist.
Warum sind jetzt Sie an der Reihe? Die taz wird mit der CDU um Ihre Stimme konkurrieren. Denn auch die taz wird ein halbes Jahr durch die Straßen des Bezirks ziehen, um Unterschriften zu sammeln – für die Würdigung einer Persönlichkeit der Zeitgeschichte, für die Rudi-Dutschke-Straße. taz