: „Berlin ist wie ein Haufen Kompost“
IBA Es geht auch ohne Bauausstellung, meint Klaus Overmeyer
■ 45, ist Professor für Landschaftsarchitektur in Wuppertal. Mit „Urban Catalyst“ untersuchte er die Potenziale von Zwischennutzung.
taz: Herr Overmeyer, Rot-Schwarz hat die Internationale Bauausstellung abgesagt, mit der die Entwicklung des Stadtrandes vorangetrieben werden sollte. Welche Folgen hat das?
Klaus Overmeyer: Die IBA hätte einen großen Schub für die Planungskultur in Berlin bedeutet. Nun müssen wir uns auf einen Zustand einstellen, den wir in Berlin schon lange kennen: viele Ideen, aber wenig Mittel.
Reicht das für ein so weites Feld wie den Stadtrand?
Das Thema Außenstadt wird auch ohne eine IBA auf der Agenda sein, weil es ohnehin um die Frage geht, wie wir in Zukunft in diesen städtischen Räumen leben wollen.
Welche Aktivitäten sind denn ohne die IBA mit ihren Geldern denkbar?
Die Stadt ist wie ein Komposthaufen, sie funktioniert auch ohne IBA. Die großen Wohnungsbaugesellschaften werden sich darauf einstellen, dass sie in ihren eigenen Beständen nachverdichten. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von weiteren Räumen, die relativ gut erschlossen sind und ein hohes Transformationspotenzial haben, wie etwa bestimmte Gewerbestandorte in Reinickendorf, Lichtenberg und Oberschöneweide. Dort kristallisieren sich schon heute Ansätze von Nutzungsmischung und neue Formen von Wohnen und Leben in der Stadt heraus.
Ist eine solche Do-it-yourself-IBA nicht vielleicht sogar eine Chance, die Bürger stärker als geplant an dieser Entwicklung zu beteiligen?
In Berlin hat sich in den vergangenen Jahren eine enorme Kompetenz für die Aneignung von Räumen angesammelt. Natürlich zuerst in den innerstädtischen Gebieten. Und in der nächsten Dekade wird sich herausstellen, was wir daraus für die Stadtgebiete jenseits des S-Bahn-Rings lernen können, in denen ja die meisten Berliner leben.
Könnte das dadurch befördert werden, dass viele Kreative sich die Innenstadt bald nicht mehr leisten können?
Das ist ein Prozess, der nicht so schnell geht. Zunächst werden diese Kreativen auf die inneren Peripherien ausweichen. Aber schon das bedeutet, dass die Innenstadt in der Stadtentwicklungspolitik nicht mehr so stark im Fokus stehen wird.
Aljoscha Hoffmann von Think Berlin hat einmal gesagt, man müsse den Cappuccino-Belt ausweiten.
Ich würde das nicht so nennen. Es geht nicht um die Ausweitung der bestehenden Strukturen. Ich glaube, wir brauchen eher ein situatives Vorgehen, wo wir uns einzelne Situationen anschauen und herausfinden, welches Potenzial vorhanden ist und welche neuen Lebenswelten da geschaffen werden können.
INTERVIEW: UWE RADA