: Die gute, alte Currywurst
JUBILÄUM Herta Heuwer gilt als Erfinderin der Currywurst. Diesen Sonntag wäre die Besitzerin eines Schnellimbisses 100 Jahre alt geworden. Die einstige Notlösung hat ihre Erfinderin überlebt
VON BENJAMIN ZIMMERMANN
In der Nachkriegszeit in Deutschland gab es von allem zu wenig. Es herrschte ein chronischer Mangel. Doch Herta Heuwer sollte dieser Mangel berühmt machen. Sie betrieb im zerstörten Berlin einen kleinen Schnellimbiss in Charlottenburg. An einem verregneten Sonntag suchte sie, mangels Senf, nach einem Rezept für eine neue Soße für ihre Brühwürste. Da nicht viel mehr als Tomatenmark, Pfeffer und ein bisschen Curry da war, gingen an diesem Tag die Brühwürste mit einer Tomatencurrysoße über den Tresen. Es war eine Notlösung, die es zu weltweitem Ruhm schaffen sollte.
Bald schon zog sie in ein größeres Ladenlokal und musste mehrere Verkäuferinnen anstellen. Sie feilte an ihrem Rezept und ließ es zehn Jahre später unter dem Namen Chillup patentieren.
Zur gleichen Zeit entdecken auch die Ostberliner ihre Liebe zur Currywurst. Konnopkes Grill ist der erste Imbiss, der sie in Ostberlin anbietet. Auch hier hat man ein ganz genaues Rezept für die Currywurst. Das Rezept von Herta Heuwers Chillup erfuhr nie jemand. Nach einiger Zeit zerstörte sie alle Aufzeichnungen davon. Es sollte niemand erfahren – und im Jahr 1999 nahm sie das Rezept mit ins Grab.
Mit seinem Buch „Die Erfindung der Currywurst“ beanspruchte Uwe Timm für Hamburg, die Currywurst erfunden zu haben. Die Protagonistin Lena Brücker verkauft an ihrem kleinen Imbiss auf dem Großneumarkt in Hamburg auch Currywürste. Obwohl Lena Brücker nur ein fiktiver Charakter ist, hinderte das die Stadt Hamburg nicht daran, ihr im Jahr 2003 eine Gedenktafel auf dem Großneumarkt aufzustellen. Im gleichen Jahr wurde in Berlin eine Gedenktafel für Herta Heuwer an ihrem früheren Imbiss angebracht. „Ick hab dat Patent, basta!“, mit dieser Antwort war das Thema Erfindung der Currywurst für sie schon vorher erledigt gewesen.
Unter dem neuen Fast-Food-Angebot von Döner, Pizza und Burger hält sich die Currywurst bis heute tapfer. Sie bleibt eines der beliebtesten Fast-Food-Gerichte der Deutschen. Allein in Berlin gehen jedes Jahr 70 Millionen Currywürste über den Tresen. Eine gültige Richtlinie, wie eine Wurst zubereitet werden muss, um sie Currywurst zu nennen, gibt es nicht. Auch deswegen gibt es in Berlin etliche kreative Adaptionen. Auf dem Kurfürstendamm beispielsweise kann man im „Bier’s Kudamm 195“ die Currywurst mit Sekt oder Champagner genießen. Damit ist die Currywurst als Fast Food salonfähig geworden. Immer mehr Berliner wollen aber auch guten Gewissens ihre Currywurst essen können. Dem verschafft das „Hain & Friedrichs Curry“ Abhilfe, indem es Currywurst aus Tofu anbietet. Das Exklusivste, was Berlin bei der Currywurst zu bieten hat, findet sich in Schöneberg. Hier kann man im „Goldkörri“ seine Currywurst mit Blattgold veredeln lassen.
Von einem billigen Gericht der Nachkriegszeit ist die Currywurst mit Blattgold wohl ganz oben in der Gesellschaft angekommen. Herta Heuwer hätte sich zu ihrem 100. Geburtstag sicher über diese goldene Currywurst gefreut.