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Archiv-Artikel

die olympia-frage: war es okay, dass die gestürzte Chinesin weiterlaufen musste?

NEIN. Wie Strohhalme knickten die dünnen Beine Dans nach dem vierfachen Wurfsalchow ab. Das sah nicht schön aus. Dem Sturz im Paarlaufwettbewerb folgte der Skandal, ein kleines Skate-Gate. Partner Hao und die chinesischen Trainer entschieden über Dans Kopf hinweg, sie müsse weitermachen; das sei nicht weiter schlimm. Dan wurde nicht gehört. Obwohl sie vom Eis geschoben werden musste wie eine Versehrte, mit offenbar geprelltem und gezerrtem Knie. Entmündigt kurvte die verletzte Dan dann zurück aufs Eis – als ein Elementarteilchen in Chinas Sportkosmos. „Zhang-Zhang!“, hatte der Männerbund an der Bande beschlossen. Was interessiert die lauernde Großmacht ein Einzelschicksal, wenn Medaillen locken – zumal Dutzende Dans auf solch eine Chance bei den Winterspielen warten? Das Individuum hat in Riesenreichen wenig Gewicht. Der Einzelne hat dem Land zu dienen. Und da die Spiele in Peking ins Haus stehen, wird Medaillensammeln als nationale Aufgabe begriffen. Dan hat sich diesen Gesetzen gefügt – stumm, dienstbar und leidensfähig. MV

JA. Die Chinesin fiel auf die Schnauze, und zwar so gewaltig, dass selbst Olympia-Desinteressierte plötzlich hinstarrten und einen gestern noch voll quatschten, wie „schlimm“ das war und was für ein „Wahnsinn“, dass sie weiterlaufen musste. Und seht ihr, liebe Kinder, genau darum geht es doch: So eine Veranstaltung braucht Momente, die über das Spezialpublikum der Medaillenzähler wirken und über den Tag hinaus im Gedächtnis bleiben. Weißt du noch, Turin 2006 … Insofern hat die arme Frau völlig zu Recht ihr Knie unter eine höhere Sache zurückgestellt: den ewigen Ruhm Olympias und seiner Fernsehpartner. Noch besser: Gestern Nachmittag im ZDF wurde der uns doch eher ferne Chinese dank ihr plötzlich menschlich. Aber bleiben wir realistisch. Damit wir uns ihren Namen merken, hätten die chinesischen Verantwortlichen sie schon mit der Eisenstange zurück auf das Eis prügeln müssen. Aber dafür fehlt den Chinesen – noch – jenes total-natürliche Gespür für den Markt, das Harding und Kerrigan als Amerikaner damals einfach hatten. PU