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Archiv-Artikel

Umweltschutzgerede fürs Publikum

China brüstet sich, scharfe Umweltvorschriften zu haben. Nur bei der Umsetzung hapert es: Den Behörden fehlen Personal, Geld und Macht. Diese Realität aber blendet Peking aus – wie auch das erneute Chemieunglück in der Provinz Shaanxi

Aus Peking GEORG BLUME und JOHANN VOLLMER

Man fragt sich, was Chinas zweithöchster Umweltschützer tut – außer Interviews zu geben. Seit zwei Jahren fasziniert der chinesische Vize-Umweltminister Pan Yue chinesische und westliche Medien mit radikalen Stellungnahmen, die Chinas ökologische Schäden und Risiken betonen. So entsteht der Eindruck, als kümmere sich Peking um die wachsende Umweltzerstörung. Doch wenn es wirklich brennt, ist von Pan Yue nichts zu hören. Jüngster Fall: eine Chemiekatastrophe in der Provinz Shaanxi.

Nach einem Unfall am 4. Februar hatte eine Chemiefabrik 2.000 Tonnen Alkalin-verseuchtes Wasser in den Wuding-Fluss geleitet. Dieser ist seither verseucht und für Menschen gefährlich. Die Fabrik meldete den Unfall nicht. Aufmerksame Bürger informierten die Umweltbehörde am 5. Februar. Bis der Fall in den Medien aufgegriffen wurde, verging nochmals eine Woche. Doch auch jetzt kamen die Informationen nicht aus Peking.

Stattdessen präsentierte sich ein hilfloser Provinzamtsleiter der Pekinger Umweltbehörde in Shaanxi den Medien. Und der lokale Umweltbeamte Hao Yanwei bestätigte die schlimmsten Vermutungen über die Wirkungslosigkeit chinesischer Umweltpolitik: Er wusste nämlich, dass die besagte Fabrik schon seit langem ein Umweltrisiko für die Region darstellte, und hatte sie zuvor bereits verwarnt. Allerdings räumte Hao offen ein, dass ihm die Mittel zur Durchsetzung fehlten: Sein Amt darf nur eine Umweltstrafe von maximal 200.000 Yuan (rund 20.000 Euro) verhängen. „Nicht viel für ein Unternehmen mit einem Kapital von 1,3 Milliarden Yuan“, so Hao.

Damit enthüllte der Provinzbeamte eine Wirklichkeit, die sein Vorgesetzter Pan Yue in Peking willentlich ausblendet: „Langfristig und gnadenlos und nicht wie ein vorübergehender Sturm“ sei die neue Anti-Umweltverschmutzungkampagne seiner Behörde, predigte Pan letzte Woche noch in Zeitunginterviews. Das Unglück in Shaanxi, das ihm längst gemeldet sein musste, erwähnte er nicht.

Dabei stellt dieser jüngste Vorfall die von Pan neu verkündeten Maßnahmen unmittelbar auf die Probe. Fortan soll gelten, dass Chemieunfälle binnen einer Stunde gemeldet werden müssen, sonst haben Behördenvertreter und Manager harte Strafen zu erwarten.

Doch das Problem der Pekinger Umweltbehörde liegt eben nicht in der Gesetzgebung. Die chinesischen Umweltgesetze gelten allgemein als vorbildlich. Die Hindernisse gibt es bei der Umsetzung. Der Umweltbehörde fehlen Personal, Ausstattung und Macht, um ihre Vorschriften vor Ort durchzusetzen.

Pan weiß das – und er kaschiert es. So nannte er elf Großunternehmen, die angeblich geschlossen werden sollen, falls sie bei ihnen festgestellte ökologische Regelverstöße nicht korrigieren. Allerdings wirken seine Drohungen mittlerweile leer. Schon im vergangenen Januar verlangte Pan von 35 Firmen höhere Umweltstandards – sechs Wochen später waren sie erfüllt. Da hatte sich Pan also entweder Kleinkriminelle ausgesucht, oder die Firmen fanden andere Wege, die Umweltbehörde so schnell von sich zu überzeugen.

Nun gibt es nur noch die Hoffnung, dass das von Pan ausgelöste Medieninteresse an der Umwelt auf Dauer etwas bewirkt. „Es gibt keine Zeit zu verlieren, wenn die Umweltzerstörung abnehmen soll“, kommentierte die Parteizeitung China Daily.