: Schnelle Kehrtwende vor dem Gipfel
HAUSHALT Der Chef des Europaparlaments stimmt dem umstrittenen neuen EU-Budget zu. Die Grünen sind stinksauer
BRÜSSEL taz | Kein EU-Gipfel ohne Streit ums Geld. Doch diesmal ist alles anders: Kurz vor Beginn des Treffens der Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend in Brüssel winkte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), gestern völlig überraschend das umstrittene neue EU-Rahmenbudget durch. Nicht einmal 24 Stunden zuvor hatte Schulz den 960 Milliarden Euro schweren Etat noch abgelehnt – und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Schwitzen gebracht.
Merkel will auf dem Gipfeltreffen ein Programm gegen die galoppierende Jugendarbeitslosigkeit verabschieden. Dafür hat sie 6 Milliarden Euro aus dem neuen Budget vorgesehen. Wäre das Europaparlament bei seiner Blockade geblieben, wäre die Initiative im Sand verlaufen. Merkel hätte wohl Schulz die Schuld in die Schuhe geschoben.
Doch nun kann das Programm anlaufen. Seinen plötzlichen Sinneswandel erklärte der SPD-Politiker Schulz, dem Ambitionen auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten nachgesagt werden, mit mehr Flexibilität bei der Finanzplanung. So können nicht verbrauchte EU-Mittel künftig von einem Haushaltsjahr ins nächste verschoben werden, statt wie bisher an die EU-Staaten zurückzufließen.
Die Grünen aber sind sauer auf Schulz. Der habe „seine Macht und unser Vertrauen missbraucht und ohne Rücksprache mit den übrigen Fraktionen einem faulen Deal zugestimmt“, erklärte Fraktionschefin Rebecca Harms.
Trotz des Neins der Grünen dürfte der Budgetentwurf, der erstmals eine Kürzung der EU-Mittel vorsieht, nächste Woche im Europaparlament durchgehen. Die größte Fraktion, die Konservativen, hat bereits Zustimmung signalisiert. Schulz muss nun nur noch seine eigenen Genossen auf Linie bringen. „Ich werde für eine Mehrheit kämpfen müssen, das steht fest“, sagte er.
Kämpfen muss auch Merkel – für ihren Pakt für Wettbewerbsfähigkeit, den Kritiker als Agenda 2010 für Europa bezeichnen. Der sollte bereits bei diesem EU-Gipfel beschlossen werden. Doch Frankreich und andere EU-Staaten verlangen eine Gegenleistung: Sie fordern ein eigenes Eurobudget oder wenigstens einen Solidaritätsfonds für Länder, die sich zu Reformen verpflichten. In ihrer Regierungserklärung vor dem Gipfel signalisierte Merkel erstmals Zustimmung zu einem solchen Fonds. Allerdings warnte sie zugleich vor Missbrauch. Ein Beschluss wird erst im Herbst erwartet. ERIC BONSE