HAUSTIERE (V)
: Nur zu zweit

Riesengroß, behaart und eklig

Meine Nachbarin klopft an die Tür. Ich höre sofort, dass es sich nicht um ein Päckchen handelt oder den Gaszählerstand. „Du glaubst nicht, was mir passiert ist“ sagt sie. „Was denn?“, frage ich. „Eine Spinne. Riesengroß, behaart und eklig“, sagt sie.

„Ich hätte nie damit gerechnet in diesen Gefilden so ein Tier anzutreffen. Aber gestern gehe ich die Zeitung holen. Unten über dem Briefkasten ein Schatten an der Wand – ich hatte meine Brille nicht auf, dachte, kein Problem, eine Fledermaus. Später habe ich den Schatten vergessen. Doch die Dinger sind schlauer, als man denkt. Nachmittag telefoniere ich mit meiner Tochter. Wir schnacken über dies und das, da zischt etwas am Rand meines Blickfelds an der Tapete entlang. Ich drehe den Kopf zur Seite und sehe eine Spinne – von der Anmutung her eine Gemeine – doch zwei- oder dreimal so groß. Ich fange sofort an, wie am Spieß zu schreien. Das Tier erkundet in aller Seelenruhe das Wohnzimmer. Völlig außer mir greife ich nach einem leeren Gurkenglas und pirsche mich an das Viech – ich weiß bis heute nicht, wie ich dazu fähig war. Die Spinne verschwindet unter der Glasglocke. Meine Tochter quäkt durchs Telefon: Was ist denn bei dir los? Oh, sage ich, ich habe grad eine Riesenspinne gefangen. Aber ich kann da nicht hinsehen! Kein Problem, sagt meine Tochter, die über meine Phobien bestens im Bilde ist, stülp einfach den Papierkorb über das Gurkenglas, ich kümmere mich darum, wenn ich heimkomme.“

Die Nachbarin sitzt inzwischen bei mir in der Küche. Wir stoßen mit einem slowenischen Likörchen an. „Ja, meine Tochter“, erzählt sie, „trug dann den Topf nach draußen und setzte das Tier mehr als 80 Meter entfernt aus – dann finden die nicht mehr zurück.“

Ich verkneife mir zu wiederholen, was mir irgendwer einmal erzählt hat: Diese Dinger sind immer mindestens zu zweit unterwegs. TIMO BERGER