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Fleischgipfel gescheitert

SCHLACHTBETRIEBE Durch Dialog wollten Niedersachsens Landesregierung und die Fleischindustrie deren ramponiertes Image verbessern. Doch das Thema Mindestlohn sprengte die Gespräche

Statt 8,50 Euro Mindestlohn wollen die Arbeitgeber einen „gefühlten“: 8,50 Euro seien für deutsche Arbeiter doch etwas anderes als für rumänische

Die Gespräche der niedersächsischen Landesregierung mit der Fleischindustrie über bessere Arbeitsbedingungen sind geplatzt. Donnerstagabend trafen sich Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) und Agrarminister Christian Meyer (Grüne) zum zweiten Mal mit Schlachtunternehmern. Beim Thema Lohn aber scheiterte der Fleischgipfel, wie die Minister am Morgen danach verkündeten.

Schon vor sechs Wochen hatten sie die Branchenvertreter getroffen. Nach Skandalen um Dumpinglöhne für die meist osteuropäischen Werkarbeiter hatte man vereinbart, gemeinsam am Branchen-Image zu arbeiten. Damals signalisierten die Unternehmen, die nicht namentlich genannt werden, Zustimmung zu einem gesetzlichen Mindestlohn.

Als die Unternehmen sich jetzt aber freiwillig dazu verpflichten sollten, ließen sie die rot-grünen Minister auflaufen: Sie mochten nicht zusagen, dass sie künftig nur noch mit Werkvertragsunternehmen zusammenarbeiten, die ihren Arbeitern mindestens 8,50 Euro Stundenlohn zahlen. Stattdessen sei ein „gefühlter Mindestlohn“ ins Gespräch gebracht worden, berichten Lies und Meyer. Für einen deutschen Arbeiter bedeute 8,50 Euro Stundenlohn etwas anderes als für einen rumänischen, habe die Industrie argumentiert.

„Inakzeptabel“ findet Meyer eine solche Differenzierung. Lies ist schlicht „wütend“, ein Teil der Branche betreibe „Menschenhandel und moderne Sklaverei“, sagt er. Bei teils um die drei Euro liegen die Stundenlöhne laut der Gewerkschaft NGG. Um den Billiglohn aufzustocken, soll ausländischen Werkarbeitern gezielt dazu geraten werden, Sozialleistungen wie Kindergeld zu beantragen. Das wird EU-Bürgern auch gezahlt, wenn Kinder im Herkunftsland leben.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat sich in die Debatte eingeschaltet. Er spricht von einem „menschenverachtenden System“ und prangert auch die Lebensbedingungen der ausländischen Arbeiter an: Mehrbettzimmer zu überhöhten Mieten, teils in ehemaligen Kasernen, „bewusst von der einheimischen Bevölkerung separiert und isoliert“. Statt auf Dialog setzen seine Minister Meyer und Lies jetzt auf Druck: Zusammen mit dem Handel wollen sie ein Gütesiegel für „faires Fleisch“ erarbeiten. Die Kommunen sollen die Betriebe strikter kontrollieren und Auflagen strenger auslegen.

Beim Verband der Ernährungswirtschaft fühlt man sich unterdessen „vorgeführt“. Das Thema Lohn sei von vornherein eine „Sollbruchstelle“ des Dialogs gewesen, sagt Hauptgeschäftsführer Michael Andritzky. Zu 8,50 Euro Mindestlohn habe man sich nur nicht verpflichten wollen, weil man eine „bundeseinheitliche Lösung“ fordere. „Nur für Niedersachsen macht das keinen Sinn“, sagt er.

Die meisten Vorwürfe seien ohnehin „vorsätzlich falsch“. Löhne von drei Euro gebe es nicht, nur Subunternehmen, die Arbeiter um ihren Lohn prellen. Um die „schwarzen Schafe“ auszusortieren, verpflichte man sich gerne, nur noch mit „ordentlichen Werkvertragsunternehmen“ zusammenzuarbeiten, so Andritzky. Auf 8,50 Lohn lasse man sich aber nicht festlegen. TERESA HAVLICEK

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