Verhaftet, gequält und getötet

DIE „BLUTWOCHE“ JÄHRT SICH

„Man konnte die Schreie der Misshandelten hören, die Leute wurden zu Dutzenden durch die Straßen getrieben“

YVES MÜLLER, KURATOR

Vor 80 Jahren ging es los, am 21. Juni 1933. Es war die SA-Standarte 15, die den Terror und das Morden organisierte, das sich über die ganze Woche in Köpenick fortsetzen sollte. Das Amtsgerichtsgefängnis und einige SA-Lokale im Stadtteil wurden zu Folterstätten. Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Juden wurden fünf Monate nach der NS-Machtübernahme verhaftet, gequält, getötet. Mindestens 23 Menschen starben, 500 wurden misshandelt.

Als „Köpenicker Blutwoche“ gingen diese grausamen Tage in die Geschichte ein. Im Rahmen des Gedenkjahrs „Zerstörte Vielfalt“ ist nun in der Gedenkstätte im Amtsgerichtsgefängnis in der Puchanstraße 12 eine neue Ausstellung zu sehen.

Man widmet sich thematisch der unmittelbaren Kontinuität der NS-Machtübernahme und der folgenden Errichtung von SA-Institutionen. „Die Woche war exemplarisch für den öffentlichen Terror in der Frühphase“, sagt Yves Müller, der die Ausstellung neben anderen kuratiert hat. „Man konnte die Schreie der Misshandelten hören, die Leute wurden zu Dutzenden durch die Straßen getrieben“, schildert Müller die Vorgänge. Auch die überregionale Bedeutung der Ereignisse wird erläutert: „Es war nicht nur eine regionale Gewalteskalation, es war einer der Höhepunkte in der Machtsicherungsphase.“

Exemplarisch ist der Fall der Familie Schmaus. Die Verhaftung des SPD-Politikers und Gewerkschafters Johannes Schmaus war eines der ersten Ziele der SA. Als sie Schmaus selbst in seinem Haus nicht antrafen, bedrohten sie seinen Sohn Anton und wollten ihn verhaften. Der erschoss die drei SA-Leute in Notwehr.

Er floh, stellte sich aber später. Obwohl er in Gegenwart von zwei Schutzpolizisten war, schoss die SA auf ihn und ergriff ihn. Anton Schmaus starb später an den Folgen des Schusses und an weiteren Misshandlungen durch die SA. Sein Vater Johannes Schmaus wurde gefoltert und gehängt, ein Selbstmord sollte vorgetäuscht werden. Die Ausstellung widmet sich nun auch den anderen Mitgliedern der verfolgten Familie.

Der Historiker Stefan Hördler hat die Ausstellung konzipiert, gleichzeitig erscheint seine Monografie „Der SA-Terror als Herrschaftssicherung. ‚Köpenicker Blutwoche‘ und öffentliche Gewalt im Nationalsozialismus“ im Metropol Verlag. JENS UTHOFF