Bahn hat Verkehrspolitiker getäuscht

Empörung im Bundestag: Deutsche Bahn AG will ihr Schienennetz unbedingt behalten, damit sie nach dem Börsengang Teile davon abwickeln kann. Um diese Absicht geheim zu halten, wurden entsprechende Textstellen im Gutachten geschwärzt

VON HANNES KOCH

Nach ihrem Börsengang will die Deutsche Bahn AG Teile des Schienennetzes stilllegen. Entgegen den bisherigen Erklärungen des Unternehmens ist das offenbar ein wesentlicher Grund, warum Bahn-Vorstand Hartmut Mehdorn zu verhindern sucht, dass der Staatskonzern in zwei Gesellschaften für Betrieb und für Netz aufgeteilt wird. Diese Absicht der Bahn wurde gestern offenkundig, als der grüne Politiker Winfried Herrmann im Verkehrsausschuss des Bundestages Textstellen aus einem Gutachten verlas, die eigentlich geheim bleiben sollten.

Für den frühestens ab 2007 geplanten Gang der Bahn an die Börse werden zwei Varianten diskutiert: Entweder der Staatskonzern wird mit Zügen und Schienen komplett verkauft oder aber die Schienen bleiben beim Staat. Im Auftrag des Bundestages hat die Unternehmensberatung Booz-Allen-Hamilton die Vor- und Nachteile eingeschätzt. In dem Gutachten, das gestern im Ausschuss diskutiert wurde, waren allerdings wichtige Stellen geschwärzt, um das Innenleben der Bahn vor der Konkurrenz zu schützen.

Laut der von Herrmann zitierten Textpassagen hält der Bahn-Vorstand die Abspaltung des Schienennetzes deshalb für schlecht, weil dann weniger Strecken stillgelegt würden als beim Börsengang des kompletten Unternehmens. Die Grünen mutmaßen, Bahn-Vorstand Mehdorn wolle die Schienen behalten, um den privaten Konkurrenten der Bahn später Probleme zu bereiten. Wenn sie weiter über das Schienennetz verfüge, könne die Bahn die Strecken schließen, die ein anderes Unternehmen mieten wolle. Umweltverbände und Grüne plädieren für die Trennung von Betrieb und Netz, um den Wettbewerb zu erhöhen und das flächendeckende Streckensystem zu erhalten.

Dass die Bahn ihre wahren Absichten durch Schwärzungen im Gutachten verbergen wolle, hält Herrman für einen „Skandal“. „Wir lassen uns nicht an der Nase herumführen“, sagte auch Verkehrspolitiker Uwe Karl Beckmeyer (SPD). Abgeordnete aller Fraktionen waren überrascht bis empört über die unleserlich gemachten Texte. Wenn solche entscheidenden Ausführungen bei Beratungen des Parlaments nicht berücksichtigt werden dürften, habe es keinen Sinn, die Beratungen weiter zu führen, erklärte die Mehrheit der Ausschussmitglieder – und unterbrach die Sitzung. Nach Beratungen der Obleute wurde die Versammlung dann aber doch fortgesetzt. Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte, möglicherweise sei in dem Gutachten „mehr als nötig“ geschwärzt worden.