: AMERICAN PIE
Rotluchse über den Jordan
Den Rotluchs wird es womöglich freuen. Hat die Raubkatze doch vielleicht bald ausgedient als Namensgeber für eines der traditionell schlechtesten NBA-Teams. Die Lokalpresse in North Carolina fordert jedenfalls: Die Charlotte Bobcats sollen sich schnell einen neuen Namen suchen.
Der Anlass: Nun steht fest, dass Michael Jordan die Bobcats übernehmen wird. Der einstmals beste Basketballspieler des Planeten, dem bislang schon ein Teil des Klubs gehörte, steht an der Spitze eines Konsortiums, das die dümpelnde Franchise dem bisherigen Besitzer Bob Johnson abkaufen wird. Dem Unternehmer und ersten afroamerikanischen Milliardär wird bis heute unterstellt, er habe seinen Basketballverein allein aus Egogründen Bobcats getauft.
Mit Jordan allerdings droht der Klub vom Regen in die Traufe zu geraten. Schließlich hat die lebende Legende als Funktionär nicht einmal annähernd an ihre Erfolge als Spieler anknüpfen können. Von den Washington Wizards, die ihn als Verantwortlichen für die Kaderzusammensetzung verpflichtet hatten, wurde er entlassen. Und auch sein Engagement bei den Bobcats, wo er seit 2006 als Sportdirektor agiert, ist von zweifelhaften Entscheidungen geprägt: Die Talente, die der 47-Jährige im alljährlichen Draft auswählte, haben fast alle die Erwartungen nicht erfüllt.
Immerhin der letzte Trade, den Jordan orchestrierte, scheint sich positiv auszuwirken für die Bobcats: Mit Stephen Jackson kam ein zwar menschlich problematischer, aber hochtalentierter Profi nach Charlotte. Jackson, der schon diverse Male mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, präsentiert sich bislang als Musterbürger und hat die Bobcats zu einem Kandidaten für die Playoffs befördert.
Aber trotzdem werden die Bobcats immer noch nicht in Charlotte angenommen. North Carolina ist eine Hochburg des College-Basketball, aber bei den Profis bleiben die Zuschauerzahlen überschaubar, die Franchise soll 150 Millionen Dollar Verlust eingefahren haben in den vergangenen sechs Jahren. Deshalb formieren sich bereits die Kritiker von Jordan. Der neue Eigentümer habe sich nicht eben abgearbeitet bei den Bobcats. Tatsächlich hat Jordan das Tagesgeschäft bislang anderen überlassen und war kaum beim Training oder bei Spielen zu sehen.
Das allerdings scheint sich nun zu ändern: Am Montag erschien der designierte Besitzer in der Trainingshalle und forderte Gerald Henderson zu einem Spielchen „Horse“ heraus. Der Liga-Neuling war überrascht, aber nicht so beeindruckt von der mehr als doppelt so alten Legende, als dass er das Wettschießen nicht gewonnen hätte. Man kann für den Basketball in Charlotte nur hoffen, dass Michael Jordan mehr Glück hat als Besitzer der Bobcats – oder wie immer sein Klub dann auch heißen wird. THOMAS WINKLER