: Die Sieger von Karlsruhe
Manchmal wirken ältere Menschen so viel lebendiger und – ja: auch jünger als andere, die lange nach ihnen geboren sind. Die ehemaligen FDP-Spitzenpolitiker Burkhard Hirsch, heute 75 Jahre alt, und der 73-jährige Gerhart Baum, beide ehemalige Innenminister, sind eindrucksvolle Beispiele dafür. Sie haben den Eifer für ihre politischen Ziele nicht verloren. Wer ihnen zuhört, wenn sie engagiert streiten, und wer sie dann mit manchen parlamentarischen Staatssekretären oder auch mit einigen Ministern vergleicht, die Zynismus mit Realpolitik zu verwechseln scheinen, kann Sehnsucht nach der politischen Kultur der Gründerjahre dieser Republik bekommen.
Hirsch und Baum waren – zu Recht – niemals Ikonen der bundesdeutschen Linken. Der FDP gehörten sie nicht zufällig an: Ein tief verwurzelter Glaube daran, dass die freie Marktwirtschaft das prinzipiell richtige, dem Menschen gemäße System ist, einte sie ebenso wie ihre Bereitschaft, für die Rechte der Einzelnen zu kämpfen – und zwar ungeachtet deren sozialer Stellung, ihrer Staatsbürgerschaft und ihrer politischen Überzeugung.
Es war folgerichtig, dass die beiden Politiker zu Protagonisten einer Richtung ihrer Partei wurden, der heute beinahe in Vergessenheit geraten ist und zu der inzwischen in der Fraktion fast nur noch die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der bayerische Abgeordnete Max Stadler gezählt werden können: des linksliberalen Flügels nämlich.
Allerdings ist das Wort „fast“ in diesem Zusammenhang nicht unwichtig. Denn tatsächlich war die FDP die einzige Fraktion, die in der letzten Legislaturperiode dem Luftsicherheitsgesetz entschieden widersprochen hatte. Wenn die FDP den Begriff „liberal“ noch immer – wenigstens teilweise – für sich reklamieren und sich auf ihre große Vergangenheit als Bürgerrechtspartei berufen kann, dann verdankt sie das zu einem großen Teil ihren Altmitgliedern Baum und Hirsch, die sich längst aus der aktiven Politik verabschiedet haben.
Gestern haben die beiden einen der größten Triumphe ihres Lebens errungen. Der einzige war es nicht: Am 3. März 2004 gab das Bundesverfassungsgericht einer Beschwerde von Hirsch, Baum, Leutheusser-Schnarrenberger und anderen statt und erklärte große Teile des Gesetzes gegen organisierte Kriminalität – den großen Lauschangriff – für verfassungswidrig und einen Verstoß gegen die Menschenwürde.
So sehr viele Anwälte hat die Menschenwürde als grundlegender Wert heute nicht mehr, auch nicht im angeblich demokratischen Westen. Burkhard Hirsch und Gerhart Baum gehören zu ihnen. Und sie haben Erfolg. Was vielleicht jene – auch in ihrer eigenen Partei – ermutigen mag, die meinen, das Thema sei doch eigentlich von gestern. Oder gar: ewiggestrig.
Bettina Gaus