: Etwas zu erledigen
Bankräuber überfielen drei Mal die selbe Haspa-Filiale. Vor Gericht offenbart sich ein Konflikt um Verwandtschaft, Loyalität und ihre Grenzen
von ELKE SPANNER
In dieser Familie kann man sich auf gar nichts verlassen. Da kann Torsten M. noch so oft wiederholen, dass man sich „gegenseitig hilft, wenn einer Probleme hat“. Vielleicht war das mal so, ehe erst die Schwiegermutter ihn verpfiff und dann der Schwager. Jetzt aber hat er eine Anklage wegen dreifachen Banküberfalls am Hals, zusammen mit seinem Schwager Kai M., und auf der hölzernen Bank des Landgerichtes kämpft jeder für sich allein – auf Kosten des anderen. Schwere räuberische Erpressung und erpresserischer Menschenraub lautet die Anklage der Staatsanwaltschaft. Darauf stehen mehrere Jahre Haft.
Bei Kai M. geht es nur noch darum, wie hoch seine Strafe ausfallen wird. Er hat gestanden, sich zwischen November 2004 und Februar 2005 gewaltsam Geld beschafft zu haben. Drei Banküberfälle, drei Mal die selbe Haspa-Filiale in Lohbrügge, die Angestellten sind noch heute mit den Nerven runter. Da gibt es nichts mehr zu beschönigen, und man glaubt dem 33-Jährigen, wenn er einem Opfer im Gerichtssaal sagt: „Es tut mir leid.“ Mit schlaksiger Gestalt und hoher Nuschelstimme erscheint er keineswegs als der harte Kerl, den man bei einer solchen Serientat vermuten würde. Respekt verschaffte er sich bei den Überfällen mit einer täuschend echt aussehenden Spielzeugpistole. Bei der Schilderung beschreibt er mehr seine eigene Angst als die Taten selbst. Zeugen bestätigen, dass er sich beim ersten Raub bei einer Angestellten entschuldigte, die er aus lauter Nervosität zu Boden schubste.
Torsten M. hingegen kämpft noch darum, das Gericht mit weißer Weste verlassen zu dürfen. Längst hat der Schwager neben ihm zu Protokoll gegeben, wie Torsten M. im Fluchtauto wartete, wie er Gas gab, auf die Autobahn floh und schließlich einen Teil der Beute entgegennahm. Da leugnet der 35-Jährige noch immer, überhaupt von den Überfällen gewusst zu haben.
Er beteuert, jedes Mal an der verabredeten Stelle nahe der Bankfiliale auf Kai M. gewartet zu haben, weil der ihn um eine Gefälligkeitsfahrt gebeten hatte. Einmal will Torsten M. extra aus Geesthacht gekommen sein, um Kai M. ins benachbarte Reinbek zu kutschieren. Ein anderes Mal kam er angeblich aus Geesthacht, weil der Schwager „im Bereich Hamburg“ etwas zu erledigen gehabt habe. Was? Er weiß es nicht. Selbst als Kai M. beim zweiten Überfall in sein Auto stürzte und rief: „Fahr los, ich kann nicht mehr“, will er sich nicht nach dem Grund erkundigt haben, sondern wortlos losgefahren sein. „In der Familie hilft man sich, wenn einer Probleme hat.“
Womöglich wäre Torsten M. mit dieser Version der Geschichte durchgekommen, hätte er sich zuvor nicht selber ein Bein gestellt. Vor der Polizei nämlich hat er nicht nur die eigene Tatbeteiligung negiert. Er hat seinen Schwager beschuldigt, ihn beim dritten Banküberfall zur Teilnahme gezwungen zu haben. Nachdem er zuvor nichts von den Rauben gewusst habe, habe der Schwager ihn dann beim dritten Mal erpresst: Stehe er nicht als Fahrer des Fluchtautos bereit, habe Kai M. gedroht, verrate er seinen Namen der Polizei.
Kai M. ist empört. Er habe dicht gehalten. „Ich tu dich nicht verraten“, habe er Torsten M. stets geschworen, und so etwas würde er tatsächlich „nie tun“. Nun aber hat der Schwager die Loyalität aufgekündigt, und jetzt kämpft wiederum Kai M. darum, ihn zumindest als Anstifter hinzustellen. So stehen sich vor Gericht zwei Versionen gegenüber, die über eines jedoch nicht hinwegtäuschen können: Dass Kai M. die Haspa in Lohbrügge dreimal überfiel und Torsten M. jedes Mal das Fluchtauto steuerte.
Dass die beiden schließlich verhaftet wurden, hat wiederum mit ihrer Familie zu tun. Seine Mutter fand die Spielzeugpistole und Klamotten, die Kai M. bei einem der Überfälle getragen hatte. Damit ging sie zur Polizei und brachte Sohn und Schwager als Bankräuber vor Gericht.
Der Prozess wird fortgesetzt.