: Der lange Schatten des Politrentners
Sozialdemokratisches Personalkarussell: Michael Neumann soll Fraktionschef bleiben. Altbürgermeister Henning Voscherau erschwert Kür des Spitzenkandidaten für Bürgerschaftswahl. Parlamentarische Geschäftsführerin Andrea Hilgers wird abgelöst
von MARCO CARINI
Der Blick geht nach vorn. Zwei Jahre vor der nächsten Bürgerschaftswahl beginnt die Hamburger SPD sich personell aufzustellen. Am Mittwochabend stellte der amtierende Fraktionsvorstand die Weichen für seine Neubesetzung, über die am kommenden Montag die Fraktion befinden soll.
Wichtigste Personalie: Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Britta Ernst soll Andrea Hilgers als Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD beerben. Hilgers wurde der internen Parteiarithmetik geopfert, opferte sich selbst. Denn durch den Aufstieg zur Geschäftsführerin macht Ernst ihren Platz als Fraktionsvize frei für Ingo Egloff. Egloff hatte bereits eine Kampfkandidatur gegen Martin Schäfer angekündigt, die nun aber vermieden werden kann.
Neben Schäfer und Egloff soll Gesine Dräger dritte stellvertretende Fraktionsvorsitzende bleiben. Gesetzt ist Michael Neumann als Fraktionschef. Eine Gegenkandidatur ist nicht in Sicht.
Deutlich schwerer tut sich die Partei mit der Kür des Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl. Parteichef Mathias Petersen, der in der SPD nicht unumstritten ist und als farblos gilt, hat bisher als einziger seinen Anspruch erklärt. Dass er das im vergangenen Oktober ungefragt tat, kam jedoch bei vielen Sozialdemokraten nicht besonders gut an.
Eine von Welt und Bild in Auftrag gegebene Emnid-Umfrage, nach der sich die meisten HamburgerInnen und vor allem die meisten SPD-WählerInnen Altbürgermeister Henning Voscherau als Spitzenkandidaten wünschen, macht Petersen zusätzlich zu schaffen. Zwar will innerhalb der Parteiführung niemand mit dem eigenwilligen Polit-Rentner in den Wahlkampf ziehen, doch die Umfrage ist ein deutliches Indiz dafür, wie wenig Profil der in der Umfrage weit abgeschlagene Petersen bislang als Parteichef entwickeln konnte.
Fraktionschef Michael Neumann, der nach eigenem Bekunden keinerlei Ambitionen hat, Bürgermeister zu werden, hat bereits eine Mitgliederumfrage als geeignetes Instrument ins Gespräch gebracht, um die Kandidatenfrage zu klären. Damit wäre die Tür für Voscherau theoretisch ein Stück weit offen – vorausgesetzt, er würde mit einer Kandidatur nicht nur kokettieren sondern seinen Hut offiziell in den Ring werfen.
„Zurzeit gibt es mit Mathias Petersen nur einen Bewerber. Wer sonst antreten will, muss sich jetzt eindeutig erklären“, stellt Neumann klar. Doch Voscherau, der Mitte dieser Woche von der SPD-Fraktionsspitze aufgefordert wurde, in die Debatte um seine Person einzugreifen, schweigt beharrlich. Kaum jemand in der SPD geht davon aus, dass sich der Altbürgermeister einer Mitgliederbefragung stellen würde. Denn seine Siegchancen wären nur minimal.
Das Prozedere für die Kandidatenkür soll der neue SPD-Parteivorstand festlegen, der am 6. Mai gewählt wird. Bis dahin herrscht auf offener Bühne Stillstand. Agiert wird nur aus den Kulissen heraus. Die Zeit aber für den zukünftigen Bürgermeister-Kandidaten der SPD, um sich gegen den Ole von Beust, den Bürgermeister der Herzen, zu profilieren, wird immer kürzer, je später die Partei sich festlegt.
Der Einzige, dessen Bekanntheitsgrad ausreicht, um ohne monatelange Profilierungskampagne in den Ring zu steigen, wäre tatsächlich Voscherau. Doch bei aller Prominenz des Altmeisters: Aufbruchstimmung und innerparteiliche Erneuerung kann er nicht verkörpern. Das weiß die Partei. Weiß es auch Voscherau?