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Archiv-Artikel

Drei gereifte Streithähne

HIPPIES Besser war es bei den Sex Pistols auch nie: Crosby, Stills & Nash bestachen in der Max-Schmeling-Halle durch Lässigkeit

Stills weiß, dass er immer noch die Gitarre aufjaulen lassen kann wie Neil Young – das muss reichen

Er wirkt ein wenig wie ein Pelzträger im FKK-Club. Zwischen all den Weißhaarigen, die sich beim Veteranentreffen der Woodstock-Generation zum Konzert von Crosby, Stills & Nash eingefunden haben, befindet sich auch ein waschechter Punker mit Nietengürtel, besprühter Lederjacke und Stoppelhaaren. In der Pause – zweieinhalb Stunden durchzurocken muss in dem Alter, in dem sich David Crosby, Stephen Stills und Graham Nash befinden, nicht mehr sein – erzählt er, dass er Crosby-Fan sei und diesen schon einmal zusammen mit Nash erlebt habe, das ganze Trio aber noch nie. Punker gegen Hippies, diese Schlacht scheint also endgültig geschlagen zu sein.

Vielleicht gefällt dem Punk aber auch nur, dass Crosby, Stills & Nash zwar nach außen eine „Love & Peace“-Combo sind, jeder Einzelne aber ein Streithahn von Johnny-Rotten-Format ist. David Crosby war einst bei den Byrds rausgeflogen, Stephen Stills hatte sich mit den Kollegen von Buffalo Springfield zerstritten, und Graham Nash ging unzufrieden von den Hollies. Ende der 60er taten sich die drei zur „Supergroup“ Crosby, Stills & Nash zusammen, bei der weiter die Fetzen flogen. Mal machte noch Neil Young mit, der sich dauernd mit Stephen Stills zoffte, dann probierte es jeder solo, man versöhnte sich und wartete auf die nächste Streiterei.

Neil Young ist endgültig raus aus dem Zirkus. Vor vier Wochen rockte er mit seiner Band die Waldbühne, während die alten Kumpels sich in der Max-Schmeling-Halle nun erstaunlich harmonisch geben. Man scheint über die Jahre eine bestimmte Rollenverteilung akzeptiert zu haben: Da ist der buddhahafte Crosby mit seiner Mähne, der bereits zwei Gastauftritte bei den „Simpsons“ hatte und allein schon deshalb weiß, dass er der Bandchef ist. Da ist der eifrige Nash, der die meisten Songs ansagt, die politischsten Statements von sich gibt und barfuß auf der Bühne steht, damit jeder sieht, dass er zwar Millionär ist, aber immer noch Hippie. Und da ist Stills, der ein Hörgerät trägt, sich am Bühnenrand herumdrückt und die anderen machen lässt. Er weiß, dass er immer noch die E-Gitarre aufjaulen lassen kann wie Neil Young, das muss reichen.

Begleitet von der „besten Band, mit der wir je zusammengespielt haben“ (Nash), spielen sich CSN durch ihren bald 45 Jahre alten Songkatalog. „Wooden Ships“, „Almost Cut My Hair“, alles ist dabei. Souverän tragen sie ihren Westcoastsound vor: Die berühmten Harmoniegesänge sitzen, der Vortrag ist lässig. Zwischendrin wird geklärt, dass man immer noch die Band ist, die sich einst gegen Nixon und den Vietnamkrieg engagierte. Stephen Stills stimmt einen seiner jüngeren Songs an, „Treetop Flyer“, der überraschenderweise von Mathias Rusts Cesna-Landung auf dem Roten Platz handelt, die Stills als politische Großtat preist. „Burning for the Buddha“ handelt von der Selbstverbrennung tibetischer Mönche, die von China unterdrückt werden. Aber egal, was gerade geboten wird, das Publikum ist sowieso begeistert. Denn besser war’s bei Neil Young neulich auch nicht. Vielleicht sogar nicht einmal damals bei den Sex Pistols.

ANDREAS HARTMANN