: Mehr Zeit für „ich“
Mit Psycho- und Männerhaar-Analyse, aber ohne Kochrezepte: Gruner + Jahr startet „emotion“, ein neues Psychologie-Magazin für Frauen
Von SILKE BURMESTER
„Es ist gut so, wie es ist“, wiederholt die Stimme im Singsang, und die Chordamen im Hintergrund repetieren „Es ist gut so, wie es ist.“ Wie ein Mantra strömt der Psychogesang auf die Hörerin ein – und, wer weiß, vielleicht wird, wer’s glaubt, selig. Nicht ganz so einfach wie die Sängerin Nadja Benaissa der beigelegten „Know your Emotion“-CD hat es sich Chefredakteurin Bettina Wündrich gemacht. Wündrich hat nach ihrem Fortgang von der Frauenzeitschrift Glamour seit Februar 2005 an dem Psychologie-Magazin emotion gearbeitet. Nun, 160 Seiten später, sind die Gefühle da. Und mit ihnen das große Erlebnisabenteuer „Ich“.
Angelegt an die erfolgreichen Konzepte italienischer, spanischer oder französischer Psycho-Zeitschriften für Frauen dreht und wendet emotion wohlbekannte Themen wie Eifersucht, erotische Träume, „Zeit für mich“ und Charisma mit der Zange der Psychologie. Zum Glück der Leserin ohne zu kneifen. Ergänzt werden die Betrachtungen durch eine Hommage an Senta Berger und Aufklärung über Bambus in der Kosmetik, aber auch eine Funktionsanalyse des Rorschachttests und das Erklärkapitel „Was passiert … bei der Psychoanalyse?“
„Wir sind nicht darauf aus, schnelle Lösungen anzubieten“, erläutert die Wahl-Münchnerin Wündrich die Abgrenzung zu den Psychoseiten klassischer Frauenzeitschriften. „Unser Anliegen ist es, psychologische Zusammenhänge deutlich zu machen. Wir verzichten auf die sieben schnellen Tipps, wie man seine Partnerschaft rettet“, sagt sie – und wartet im Heft doch selbst mit „ein paar simplen Regeln“ auf, um Konflikte in der Partnerschaft zu vermeiden. Wündrich, die mit der Erschaffung von Glamour journalistisches Fastfood für die Handtasche passend gemacht hat, setzt mit ihrem neuen Heft auf Qualität. Diese sieht sie vor allem durch den Platz garantiert, der manchen Themen eingeräumt würde und deren Inhalt „global“, sprich von verschiedenen Perspektiven aus angegangen werden würde. „Sehr gute Journalisten und ein Stamm von Experten“ sollen verhindern, dass die Küchenpsychologie Einzug halte.
Seriös in der Aufmachung kommt das Heft daher und wird mit Sicherheit dem bislang einigermaßen konkurrenzlosen Psychologie heute etliche Käuferinnen abwerben. Nicht zuletzt, weil neben überraschenden Reportagen, wie der über einen Maler, der Patienten von Gesichtschirurgen porträtiert, sich kleiner, feiner Humor eingeschlichen hat. So bei der hübschen Rubrik „Bin ich noch normal?“ oder der fotolastigen Analyse über Männerhaar.
375.000 Exemplare bringt Gruner + Jahr auf den Markt, für eine potenzielle Zielgruppe von Frauen im Alter von 28 bis 59. Bei 150.000, so hofft man auf Verlagsseite, werde das Blatt sich einpendeln. Für einen ersten Heft-Auftritt überraschend ist das geringe Anzeigenaufkommen. Außer den eigenen Objekten, die G + J ausnahmslos untergebracht zu haben scheint, von View über Brigitte bis hin zu P. M., haben nur wenige Inserenten – allen voran die Hauptaggressoren des Kosmetikmarkts – den Weg zu emotion gefunden.
Anders als die französische Vorlage Psychologies wagt Wündrich es, ihr Heft frei von Kochrezepten und der Nennung von Produkten, die so gar nichts mit Psychologie zu tun haben, zu halten. Einzig die „Kosmetikprodukte mit Bambusextrakten“, auf denen u. a. Räucherstäbchen, Nagellack und Puder zusammengetragen wurden, signalisieren die Bereitschaft zur Öffnung in diese Richtung. Die Anzeigenabteilung wird’s freuen.