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Archiv-Artikel

Lauschangriff aus Washington

INTERNET Der US-Geheimdienst NSA soll sowohl Deutschland als auch EU-Einrichtungen ausspionieren. Regierung und Opposition fordern die dringende Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe

BERLIN dpa/rtr | Der Skandal um die weltweite Datenspionage der US-Geheimdienste droht zur schweren Belastung für das Verhältnis Deutschlands und Europas zu den USA zu werden. Empört reagierten am Sonntag Politiker von Regierung und Opposition auf Berichte, wonach die Überwachung Deutschlands durch den US-Geheimdienst NSA umfangreicher sei als bislang angenommen. Die EU-Kommission verlangte sofortige Aufklärung über die angebliche Bespitzelung.

Geheime Dokumente der NSA offenbaren nach Informationen des Spiegels, dass der Geheimdienst systematisch einen Großteil der Telefon- und Internetverbindungsdaten kontrolliert und speichert. Monatlich würden in der Bundesrepublik eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen – Telefonate, Mails, SMS oder Chats – überwacht.

Zudem berichtet der Spiegel, die NSA spähe Einrichtungen der EU in Brüssel, Washington und New York aus. Dies gehe aus Dokumenten hervor, die der frühere Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden mitgenommen habe. Aus einem streng geheimen Papier der NSA vom September 2010 gehe hervor, wie der NSA Wanzen im Gebäude der EU-Vertretung in Washington installiert und das interne Computernetz infiltriert habe. So könnten die USA nicht nur Besprechungen belauschen, sondern bekämen auch Zugriff auf E-Mails und interne Dokumente.

Der Guardian hatte unter Berufung auf Snowden berichtet, der britische Geheimdienst zapfe im großen Stil transatlantische Telefon- und Internetkabel an und gebe persönliche Informationen an die NSA weiter. Das britische Tempora-Programm sei weit umfangreicher als der gigantische US-Datenspeicher Prism, den Snowden zuvor bekannt gemacht hatte. Zitiert wurde Wayne Madsen, ein ehemaliger Marineoffizier und Geheimdienstmitarbeiter. Kurz nach seinem Erscheinen wurde der Beitrag jedoch von der Webseite guardian.co.uk entfernt, mit der Begründung, eine Untersuchung stehe an.

Protest der Bundespolitik

Unterdessen schreibt der Spiegel, aus einer vertraulichen Klassifizierung gehe hervor, dass die NSA die Bundesrepublik zwar als Partner, aber auch als Angriffsziel betrachte. Deutschland gehöre zu den „Partnern dritter Klasse“. Ausdrücklich ausgenommen von Spionageattacken seien nur Kanada, Australien, Großbritannien und Neuseeland.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) reagierte bestürzt: „Es sprengt jede Vorstellung, dass unsere Freunde in den USA die Europäer als Feinde ansehen.“

SPD, Grüne und Linke forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dringend auf, in Washington auf Aufklärung zu dringen. „Die Bundesregierung muss den Sachverhalt schnellstens klären“, sagte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück Spiegel Online. „Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, ginge das über legitime Sicherheitsinteressen weit hinaus.“

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte, Merkel müsse die Einleitung eines Klageverfahrens vor dem Internationalen Gerichtshof prüfen. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping erklärte: „Ich verlange, dass die Bundesregierung umgehend den amerikanischen Botschafter einbestellt und ihren formellen Protest übermittelt.“

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