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Archiv-Artikel

Herz und Taten beisammen

RELIGIONEN 30.000 Muslime der Ahmadiyya Muslim Jamaat trafen sich in Karlsruhe: „Fortschritte bei der islamischen Ökumene auch den christlichen Kirchen zu verdanken“

„Wir verstehen uns als Liberale, aber auch als Wertkonservative“

ABDULLAH WAGISHAUSER

VON NADINE MICHEL

KARLSUHE/STUTTGART taz | Sie bezeichnen ihr Treffen selbst als „Pendant zum Kirchentag“: Rund 30.000 Muslime haben sich am Wochenende in Karlsruhe getroffen. Es war das Jahrestreffen der islamischen Glaubensgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat, deren Motto „Liebe für alle – Hass für keinen“ lautet. Einsetzen wollten sie sich beim Treffen vor allem für die muslimische Ökumene. Denn in ihren Augen verbinde die Religionen mehr als sie trenne.

Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) gilt als liberale Gemeinde. Sie setzt sich für einen friedlichen Islam ein und bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Allerdings betonte der Bundesvorsitzende der AMJ Deutschland, Abdullah Wagishauser, bei der Eröffnung am Freitag: „Wir verstehen uns als liberale Gemeinschaft, aber auch als wertkonservative“ – beispielsweise in Bezug auf die Geschlechtertrennung. Die strikte Trennung gelte etwa bei den religiösen Ritualen. Und so gab es auch auf dem Karlsruher Messegelände am Wochenende einen Bereich, in dem nur Frauen zugelassen waren.

Insgesamt hat die islamische Glaubensbewegung in Deutschland etwa 35.000 Mitglieder. Erst vor Kurzem wurde sie in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Damit ist sie zum Beispiel in steuerlichen Belangen den christlichen Kirchen grundsätzlich gleichgestellt.

Wichtig sei das Jahrestreffen vor allem deshalb, um sich spirituell weiterzuentwickeln, sagte Isa Musa Menzel, der aus Berlin angereist war, zur taz: „Ich tanke hier jedes Mal Kraft auf für das spirituelle Leben, so dass meine Gedanken, mein Herz und meine Taten wieder übereinstimmen.“

Neben gemeinsamen Gebeten gab es Vorträge und Diskussionsrunden etwa zu „Schutz vor weltlichen Verführungen“ oder „Der Islam im säkularen Verfassungsstaat“.

Als wichtig galt auch der interreligiöse Dialog. „Der Austausch unter den Religionen ist recht rege in Deutschland“, sagte der Bundesvorsitzende Wagishauser. „Ich glaube, dass die Ökumene in Deutschland unter den Muslimen jetzt langsam anläuft, das haben wir auch teilweise den christlichen Kirchen zu verdanken, die da immer mitarbeiten, wenn es runde Tisch oder interreligiöse Dialoge gibt.“

Als politische Gäste kamen unter anderem die Bundestagsabgeordnete Katja Mast und der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (beide SPD). Er kenne viele Mitglieder der Ahmadiyya schon lange, sagte Mentrup, und lobte sie für ihr soziales Engagement. „Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie auch im täglichen Kontakt das Motto ‚Liebe für alle – Hass für keinen‘ gelebt wird.“

Ähnlich sei es anderen Gästen gegangen, etwa Christen und Juden, die am Wochenende dabei waren, erzählte Mohammad Dawood Majoka, der Sprecher der Ahmadiyya-Muslime in Deutschland. Am Samstag fand eine Sondersitzung zusammen mit Nichtmitgliedern statt, an der circa 1.000 Leute teilgenommen hätten. „Es ist für die meisten überraschend, dass es im Islam auch friedfertige Gemeinden gibt, die so offen sind und so viel Respekt für andere Religionen haben“, sagte Majoka der taz.

Das Ergebnis der Arbeit werde sich im Laufe des Jahres zeigen: Es seien weitere gemeinsame Veranstaltungen, etwa mit christlichen Gemeinden, vereinbart worden, um die Beziehungen weiter zu verbessern.