piwik no script img

Archiv-Artikel

Mit leeren Wahlzetteln zum Sieg in Haiti

Um eine politische Eskalation nach dem Streit um das Wahlergebnis zu vermeiden, verändert Haitis Wahlkommission in Absprache mit der UNO den Auszählungsmodus. Dadurch kriegt der führende Kandidat Préval doch noch die absolute Mehrheit

AUS SANTO DOMINGOHANS-ULRICH DILLMANN

René Préval hat es geschafft. Der Spitzenkandidat von Haitis „Hoffnungs“-Partei (Lespwa) habe über 51 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereint, erklärte in der Nacht zum Donnerstag der Chef des Provisorischen Wahlrats, Max Mathurin, im Rundfunk. Binnen weniger Minuten füllten sich die Straßen in der Innenstadt der Hauptstadt Port-au-Prince mit Prévals Anhängern, die fröhlich den Sieg ihres „Hoffnungs“-Kandidaten feierten.

Die Erklärung des Wahlrats bereitet der politischen Krise ein Ende, die Haiti seit acht Tagen erschüttert hat. Tagelang hatte Préval bei der Bekanntgabe von Zwischenergebnissen der Stimmauszählung der Präsidentschaftswahl vom 7. Februar mit absoluter Mehrheit geführt, aber am vergangenen Wochenende war er auf unter 50 Prozent gesunken. Damit hätte er sich einer Stichwahl mit dem Zweitplazierten stellen müssen: dem 75 Jahre alte Exdiplomat Leslie Manigat, der rund 12 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die friedlichen vorgezogenen Siegesfeiern waren daraufhin in gewalttätige Proteste umgeschlagen.

René Préval, der bereits zwischen 1996 und 2001 das höchste haitianische Staatsamt bekleidete, hatte von „groben Fehlern und massiven Fälschungen“ gesprochen. Lespwa-Anhänger hatten das Pressezentrum der Wahlbehörde gestürmt und Port-au-Prince mit Barrikaden abgeriegelt. Ein Anhänger Prévals wurde erschossen. Außerdem wurden auf einer Müllkippe tausende Wahlzettel gefunden, auf denen das Stimmkreuz bei Préval gemacht worden war.

Um die Krise zu entschärfen, handelte die UN-Mission einen Kompromiss mit der Wahlkommission aus. Demnach wurden rund 85.000 leer abgegebene Stimmzettel aus dem Ergebnis herausgerechnet. Die Zettel, die keine Präferenz für einen der 33 Kandidaten bei der Wahl am 7. Februar zeigten, machten zusammen 4,7 Prozent des Votums aus. Damit erhöhte sich der Stimmenanteil der jeweiligen Kandidaten. Wahlbeobachter äußerten den Verdacht, dass die leeren Zettel gefälscht worden seien. Durch die Vereinbarung sei Prévals Stimmenanteil von zuvor 48,7 Prozent über die entscheidende 50-Prozent-Schwelle gestiegen, erklärte die Kommission. Eine Stichwahl sei damit hinfällig. Préval wird am 29. März sein neues Amt antreten. Nach wie vor liegen jedoch keine Ergebnisse der Parlaments-, Senats- und Kommunalwahlen vor, die gleichzeitig stattfanden.

Verärgert zeigt sich in ersten Stellungnahmen die bürgerliche Opposition. Sie sieht sich um die Chance gebracht, in einem zweiten Wahlgang, den Amtsantritt von Préval vereint zu verhindern. Der 63-Jährige ist ein alter Weggefährte des 2004 gestürzten Exstaatschefs Jean-Bertrand Aristide, der im südafrikanischen Exil lebt. Dessen Anhängern fordern nun, ihm die Rückkehr nach Haiti zu gestatten.