: Nur Terroristen ins Grundgesetz
SPD will Grundgesetz nur dahingehend ändern, dass die Bundeswehr Flugzeuge voller Terroristen abschießen kann. Die Union aber will das Militär auch bei Großereignissen einsetzen. Bis zur Fußball-WM wird es allerdings kaum einen Kompromiss geben
VON ULRIKE WINKELMANN
Die SPD will das Grundgesetz um genau so viel ändern, wie es nötig ist, um ein ausschließlich mit Terroristen besetztes Flugzeug von der Bundeswehr abschießen zu können. Eine darüber hinausgehende Änderung, die etwa einen zusätzlichen Einsatz von Soldaten am Boden möglich machen würde, sei „definitiv ausgeschlossen“, erklärte der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz.
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) schrieb gestern in der Frankfurter Rundschau, die Bundeswehr „muss zum Einsatz kommen dürfen“, wenn es „nicht sinnvoll ist, die Polizeien entsprechend auszustatten“. Dies sei etwa der Fall, wenn „ein selbstmörderischer Pilot allein an Bord eines Flugzeugs ist und damit droht, sich in eine belebte Innenstadt zu stürzen“.
Eine Grundgesetzänderung wird nötig, um das Luftsicherheitsgesetz in der Verfassung zu verankern. Denn am Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht das bestehende Luftsicherheitsgesetz gekippt. Dieses Gesetz sollte für den Fall eines „11. September“ in Deutschland gelten: Eine Passagiermaschine auf Kollisionskurs sollte abzuschießen sein. Die Karlsruher Richter erklärten jedoch, ein Gesetz zur Tötung Unschuldiger verletze das Grundrecht auf Leben und die Menschenwürde. Ausschließlich Terroristen dürften auf diese Weise getötet werden.
Dieses sehr weitreichende Urteil „hat mich getroffen wie ein Hammer“, gestand Wiefelspütz gestern – er hatte das so harsch kritisierte Gesetz zu rot-grünen Zeiten maßgeblich mitverfasst. Nun könne ein entführtes Flugzeug allenfalls noch abgeschossen werden, wenn es im Ausland gestartet sei und der Fall als Verteidigungsfall deklariert werde. Wenn jedoch ein Flugzeug etwa auf dem Weg von Köln nach Frankfurt auf ein AKW umgelenkt würde, sei die Bundeswehr nun machtlos – jedenfalls könnte ein Pilot den Befehl verweigern, erklärte Wiefelspütz.
Eine Einigung mit der Union auf eine Grundgesetzänderung sei vor dem Herbst kaum denkbar. Auch CDU-Politiker äußerten sich gestern bereits vorsichtiger über den Zeitraum für einen Kompromiss. Damit gibt die Union möglicherweise das Ziel auf, die Bundeswehr auf jeden Fall schon zur Fußball-WM in großem Stil zum Objektschutz abstellen zu können. Denn die Union verlangt eine grundsätzliche Änderung der Verfassung: Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verfolgt das Ziel, die Bundeswehr als Heimatschutztruppe einzusetzen. Er will eine Grundgesetzänderung, die den Weg dahin eröffnet.
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach erklärte dazu, etwa bei Papstbesuch, Oktoberfest und Fußball-WM „können wir in eine Situation geraten, wo wir die Polizei schlicht überfordern“. In einer besonderen Gefahrenlage „können wir nicht von Mittwochmorgen auf Donnerstagmittag das Grundgesetz ändern, damit wir die Bundeswehr dann einsetzen dürfen“. Wie auch immer die Großkoalitionäre einen Kompromiss finden – für eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat zwecks Grundgesetzänderung brauchen sie die FDP.