Die Vernunft der Stärkeindustrie

LANDWIRTSCHAFT Deutsche Umweltschützer sind wegen Amflora nicht wirklich in Sorge, denn es gibt bereits konventionelle Alternativen

BERLIN taz | „Das ist überhaupt kein Türöffner für die Gentechnik in Deutschland“, sagt Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Wie sie sehen auch andere deutsche Umweltschützer in der Zulassung der Gen-Kartoffel Amflora keinen wirklichen Durchbruch für die Gentechnik in der deutschen Landwirtschaft. Moldenhauer hält es für unwahrscheinlich, dass Amflora in der Bundesrepublik überhaupt in großem Maßstab angebaut wird. Bisher gibt es nur Versuchsfelder. Auch unabhängige Aktivisten wie Jörg Bergstedt, die sich etwa an der Zerstörung von Gentech-Feldern beteiligen und die Umweltverbände für ihre vermeintlich zu weiche Gangart gegenüber Industrie und Politik kritisieren, schließen sich Moldenhauers Sichtweise an.

Optimistisch sind die Umweltschützer, weil es bereits Alternativen zu Amflora gibt, die nicht gentechnisch verändert sind. So hat die niederländische Firma Avebe eine Knolle auf den Markt gebracht, deren Stärke zu 99 Prozent aus dem von der Industrie begehrten Amylopektin bestehen soll. „Wir setzen jetzt auf die Vernunft der Stärkeindustrie, denn es gibt ja konventionelle Konkurrenzprodukte“, sagte Moldenhauer der taz.

Dieses Kalkül könnte tatsächlich aufgehen. In Deutschland haben nur drei Unternehmen Fabriken, die Stärke aus Kartoffeln herstellen. Eines davon ist Avebe, das eine konventionelle Konkurrenzknolle entwickelt hat. Ein weiteres ist Südstärke im bayerischen Schrobenhausen, das in der vergangenen Ernteperiode ein Drittel der Kartoffeln des Freistaats verarbeitet hat: 645.000 Tonnen. Josef Königbauer, Geschäftsführer der Südstärke, sagte der taz: „Für uns kommt Amflora definitiv nicht in Frage.“ Schließlich beliefere Südstärke auch die Lebensmittelindustrie. Die wolle keine gentechnisch veränderte Stärke in ihren Produkten. „Wir könnten die konventionellen und die Genkartoffeln im Werk kaum trennen“, erklärte Königbauer.

Dennoch sind die Umweltschützer von der Amflora-Zulassung alarmiert. Das liegt vor allem an der Symbolkraft dieser Entscheidung. Schließlich ist der Beschluss eine der ersten Amtshandlungen der neuen EU-Kommission. „Sie will mit der ersten Zulassung einer genmanipulierten Pflanze seit 1998 offensichtlich einen Pro-Gentechnikkurs einleiten“, kritisiert Martin Hofstetter von Greenpeace. Expertin Moldenhauer befürchtet, dass „wir nun mit einer Flut neuer Zulassungen“ rechnen müssen.

Das scheint auch die vehementeste Verfechterin der Gentechnik im Deutschen Bundestag, die FDP, so zu sehen. „Die Entscheidung ist ein wichtiges Zeichen und macht den Weg frei für mehr Innovationen in der Landwirtschaft“, freut sich die agrarpolitische Sprecherin der Fraktion, Christel Happach-Kasan.

JOST MAURIN