: NRW singt Föderalala
Die Landesregierung freut sich auf mehr Wettbewerb durch die Föderalismusreform. Kritiker warnen vor sinkenden Investitionen in Bildung und mangelndem Umweltschutz. Beamte fürchten um Geld
VON SEBASTIAN HEISERUND KLAUS JANSEN
Das Recht auf Terrorabwehr ist weg, die Verantwortung für Bildung und Beamtenbesoldung wächst: Nordrhein-Westfalen erhält durch die Föderalismusreform neue Zuständigkeiten. Die Landesregierung ist mit dem am Mittwochabend gefundenen Kompromiss zwischen Bund und Ländern zufrieden, wie gestern ein Sprecher auf taz-Anfrage erklärte: „Bisher hatten wir eher zu wenig Wettbewerbsmomente in der Verfassung“, sagte er. Dies werde jetzt korrigiert.
Kritiker der Reform finden mehr Wettbewerb jedoch gerade in der Bildungs- oder Umweltpolitik gefährlich. „Ich halte es für fatal, dass sich der Bund völlig aus der Bildungspolitik zurückgezogen hat“, sagte die grüne Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann. Sie befürchtet, dass Nordrhein-Westfalen künftig weniger Geld für Universitäten oder Ganztagsschulen aus Berlin erhält. Auch beim Umweltschutz seien bundesweit gleiche Vorschriften notwendig: „Das sehen wir gerade bei den Tierseuchen.“
Mit einheitlichen Standards ist es jedoch spätestens ab 2009 vorbei: Dann können die Länder auch über das Aufstellen von Glücksspielautomaten, den Einsatz von Schornsteinfegern und die Besoldung ihrer Beamten allein entscheiden. Gerade diese fürchten, dass durch den Wettbewerb der Länder eine Abwärtsspirale bei den Personalausgaben in Gang gesetzt werden könne. „Es wird Dumpingversuche geben“, sagte der nordrhein-westfälische Beamtenbundchef Ralf Eisenhöfer. Die von der schwarz-gelben Regierung angekündigten Kürzungen beim Weihnachtsgeld zeigten, welche Richtung die Landespolitik einschlagen werde. „Wenn weiter gespart wird, finden wir immer weniger Nachwuchs für den öffentlichen Dienst“, so Eisenhöfer. Bereits jetzt fehlten im südlichen Nordrhein-Westfalen Lehrer, weil sich an rheinland-pfälzischen Schulen mehr verdienen lasse.
Vertreter von SPD und CDU sehen das anders. „Es wird kein heilloses Durcheinander in den Ländern geben“, sagte der bergische Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach, der die CDU in der Föderalismuskommission vertreten hat. Auch einen Dumpingwettbewerb erwartet er nicht: „Die Landesregierungen müssen vor den Wählern sehr genau begründen, wenn sie von Bundesstandards abweichen wollen“, sagte er. Die SPD-Vertreterin Angelica Schwall-Düren sprach ebenfalls von einem „positiven Kompromiss“. Allerdings räumte die Münsterländerin Probleme in der Bildungspolitik ein. „Da haben die Länder viel geopfert“, sagte sie.
Von den Verhandlungen ausgespart wurde bisher die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Sowohl CDU-Fraktionsvize Bosbach als auch die NRW-Landesregierung kündigten an, diese so schnell wie möglich beginnen zu wollen – und sie noch in dieser Legislaturperiode zu beenden.