: Paranoia auf Video
Vom Mittelalter nach China: Kunsthalle zeigt 2006 Mixtur aus Konvention und zarten Ausbrüchen aus derselben
Vielleicht bergen die scheinbar disparatesten Dinge letztlich die stärkste Parallele: Von Edvard Munch bis zum Videoprojekt „SNAFU“ reicht die Palette der Ausstellungen, die das bereits begonnene Jahr in der Kunsthalle prägen werden. Und wenn man bedenkt, dass die Munch-Ausstellung im März den Untertitel „... aus dem modernen Seelenleben“ trägt, begreift man, worin die Gemeinsamkeit mit den von den 60er Jahren bis heute reichenden Video-Arbeiten liegt, die im April zu sehen sein werden. Paranoia – bei Munch nach innen, in den Videos nach außen gewendet – präsentieren die beiden Schauen, wobei „SNAFU“ ursprünglich weit Gefährlicheres bedeutet: die Verselbständigung von Entscheidungsmustern innerhalb militärischer Hierarchien, die sich irgendwann komplett von der Realität abkapseln.
Das Video als Medium von Kontrolle und misslingender Kommunikation ist Thema dieser Schau – und wenn man es feinsinnig betrachtet, lässt sich von hier aus gar eine Linie zur chinesischen Gegenwartskunst ziehen, die im Herbst zu sehen sein wird: Auf dem Grat zwischen traditioneller Kunst und dem sozialistischen Realismus, zwischen stark am Westen orientierten Arbeiten und staatlicher Kontrolle changieren diese Werke. Mitschwingen wird auch die vom Westen gern gestellte Frage nach der „Eigenständigkeit“ dieser Kunst.
Ein Thema, das auch die vergleichende Ausstellung „Pieter Lastman – In Rembrandts Schatten?“ birgt, war der Amsterdamer Maler doch zeitweilig Rembrandts Lehrer. Und wenn man davon absieht, dass im Zentrum der diesjährigen Ausstellungsaktivitäten die Caspar-David-Friedrich-Schau stehen wird, eine vom neuen Kunsthallen-Chef Hubertus Gaßner initiierte Übernahme aus dem Essener Folkwang-Museum, wirkt der Parcours „Bilder vom Orient“ fast noch aktueller, sucht die Schau vom Mittelalter bis zur Gegenwart nach Spuren von Stereotypen: Schon bei Meister Franke fungieren mit Turbanen ausgestattete Figuren als Chiffren des Bösen. Und dass die Schau mit Videos der in London lebenden Iranerin Shirin Neshat endet, die Orient-Klischees des Westens durchleuchtet, versteht sich dann schon fast von selbst.
Petra Schellen