Nebelhörner und Breakbeats

Abstraktion und Groove: Das Berliner Label Raster-Noton, ursprünglich aus Chemnitz, beweist mit seinen Veröffentlichungen immer wieder, dass es sich bei diesen zwei Begriffen keineswegs um ein Gegensatzpaar handelt. Erst recht nicht für seinen Mitgründer Frank Bretschneider. Der studierte Künstler hatte schon zu DDR-Zeiten mit der Band AG Geige dadaistische Experimente und Pop erfolgreich – und von der Zensur unbehelligt – vereint. Scheinbar Unverträgliches wird von ihm zwar nicht in Wohlgefallen aufgelöst, dafür aber in produktive Spannung gebracht.

Bretschneider kann staubtrocken und sperrig klingen, Klangpartikel so stark atomisieren, dass sie nur noch als Spurenelemente zu vernehmen sind. Er kann mit denselben Mitteln – Störfrequenzen, Rauschen, Stottern – aber auch die Generatoren zum Tanzen bringen. Auf seinem neuesten Album für Raster-Noton, „Super.Trigger“, macht er sich sogar so locker, dass man fast von einer Clubplatte sprechen könnte.

Ausschließlich aus Studioimprovisationen entstanden, treten hier HipHop, Funk und diverse Fortentwicklungen in ihrer reinsten Form in Erscheinung, als heftig synkopierter Beat, frei von allen unnötigen Zugaben und dadurch in seiner Energie umso wuchtiger. Einzelne Stücke scheinen auf rein synthetischem Wege zustandegekommen zu sein, andere lassen Samples als Quelle ihrer Rhythmus-Bausteine erkennen. Das Resultat ist so künstlich wie körperlich, Stillhalten gilt nicht.

Das kann man dafür bei Luca Forcucci und seinen „Fog Horns“. Statt drängender Bewegung erzeugt der Schweizitaliener luftige Atmosphären, für die er eigene Aufnahmen aus dem Raum von San Francisco verwendet, darunter die titelgebenden Nebelhörner. Nun sind Field Recordings, also Umweltklänge, eine heikle Sache, weil sie die Welt zwar nicht imitieren, aber so dicht abbilden, dass sich manche Hörer fragen mögen, warum sie, statt zu Hause dem Rauschen des Windes, brechenden Wellen oder Vogelstimmen zu lauschen, nicht lieber gleich ins Freie gehen sollten.

Diesen Einwand lässt Forcucci gar nicht erst aufkommen. Seine drei Stücke, die er im Elektronischen Studio der TU Berlin fertigstellte, kombinieren unterschiedlichste Klänge, strukturieren das Geschehen und werden mit Störgeräuschen angereichert – selbst das Scratchen einer Schallplatte oder ein elektronisches Cello finden darin ihren Platz. TIM CASPAR BOEHME

■ Frank Bretschneider: „Super.Trigger“ (Raster-Noton/Kompakt) ■ Luca Forcucci: „Fog Horns“ (Sub Rosa/Alive)