: Mitleid mit den Kölnern
Der 1. FC Köln bekommt in Gladbach alles, was man im Abstiegskampf nicht gebrauchen kann: Niederlage, Platzverweis und Lob vom Gegner
AUS MÖNCHENGLADBACHDANIEL THEWELEIT
Mit einem dicken Eisverband um den Knöchel stand Thomas Broich in den Gängen des Mönchengladbacher Borussia-Parks und hatte Mitleid. Nicht mit sich selbst, was angesichts seines geschwollenen und blau angelaufenen Gelenks verständlich gewesen wäre, nein, sein Mitgefühl galt jenen Männern, die ihm die Verletzung mit einer Ansammlung von Fouls zugefügt hatten. „Köln ist ein aufregender Verein“, sagte Broich nach dem 2:0-Sieg und fand aufmunternde Worte für die tief betrübten Serienverlierer: „Ein guter Monat reicht, um da wieder raus zu kommen“, überlegte er, und geht es nach dem Gerechtigkeitsempfinden der Kölner, müsste dieser Monat direkt am kommenden Samstag, dem Karnevalssamstag übrigens, gegen Leverkusen beginnen.
Denn im Spiel von Mönchengladbach war das Schicksal derart übel mit dem Aufsteiger umgesprungen, dass Hanspeter Latour meinte, der Herr des Zufalls habe nun keine neuen Bösartigkeiten mehr übrig für die kommenden Wochen. „Es ist doch besser, es kommt alles auf einmal, als verteilt auf drei Spiele“, sagte Latour. Sarkasmus war das nicht, die Worte klangen wie das meiste, was Latour so redet, nach echter innerer Überzeugung.
Der Schweizer zeigt sich Woche für Woche als Meister der aufmunternden Formulierung, und niemand wird ihm widersprechen, wenn er findet, dass nun die Kölner einmal dran sind mit einer Portion Glück. Nicht nur, dass Stefan Wessels zur Halbzeit mit einer Muskelverletzung im Oberschenkel ausgewechselt werden musste, und Christian Lell die Niederlage mit einem höchst unglücklichen Eigentor (54.) auf dem Weg brachte, auch der Schiedsrichter hatte dem Spiel mit einem zweifelhaften Platzverweis eine deutliche Tendenz gegeben. „Gelb wäre hier angemessen gewesen“, sagte Mönchengladbachs Trainer Horst Köppel als er das Foul Roland Benschneiders an Broich noch einmal auf einem Monitor gesehen hatte. Schiedsrichter Michael Weiner bestrafte die ungeschickte Aktion hingegen mit einem glatten Platzverweis.
Auch Broich fand, dass die Strafe zu hart war, und Latour sagte mit strenger Stimme, „wenn man so einen wichtigen Entscheid in so einem Spiel fällt, dann muss man sich schon ganz sicher sein“. Sein Team hatte das Spiel bis zu diesem Moment dominiert, und Latour hatte Grund an der Sicherheit des Schiedsrichters zu zweifeln. Der spontane Eindruck der meisten Beobachter im Stadion war jedenfalls, dass die Strafe zu heftig war für die Kölner, und die Fernsehbilder bestätigten das.
Doch damit war das seuchenhafte Kölner Unglück längst nicht besiegelt. Sie hatten trotzdem gute Chancen, die Borussia wusste lange überhaupt nichts mit der Überzahl anzufangen, das Publikum wurde unruhig, und allein Marco Streller hätte das Spiel zugunsten des Tabellenletzten entscheiden können. Erst Oliver Neuvilles 2:0 (74.) brach den leidenschaftlichen Kölner Widerstand. Streller rief am Ende ebenfalls nach höheren Mächten als er sagte, „der Ball wollte einfach nicht rein, es ist wie verhext“. Er erarbeitete sich hochkarätige Chancen, schloss auch gut ab, fand aber keinen Weg ins Tor. Immerhin sorgte er damit allein in dieser Partie für mehr Gefahr, als Nationalstürmer Lukas Podolski in allen fünf Spielen der Rückrunde zusammen.
Fast ein wenig unbeteiligt wirkend ließ Podolski sich durch diesen leidenschaftlich geführten Überlebenskampf treiben, so ganz ohne eigenes Zutun ist der FC also doch nicht sieglos in der Rückrunde. Wäre Podolski in Form, hätte er gewiss den Ausschlag geben können bei den drei Unentschieden gegen Stuttgart, in Kaiserslautern und gegen Dortmund, so jedoch bleibt die Mannschaft seit nunmehr 17 Spielen ohne dreifachen Punktgewinn. Gegen jeden Konkurrenten der Liga sind die armen Kölner mittlerweile angetreten seit dem Hinspielsieg gegen Mönchengladbach vom vergangenen September, ohne nur ein einziges Mal zu gewinnen. Das Resultat ist Platz 18, und ein gefährlich wachsender Abstand auf das rettende Ufer.
Ebenfalls sieglos im Jahr 2006 und noch schlechter in der Rückrundentabelle war vor der Partie im Übrigen Borussia Mönchengladbach, weshalb die seit Monaten irgendwo im Untergrund schwelenden Zweifel an Trainer Horst Köppel an die Oberfläche geschwemmt worden waren. Das Pech der Kölner war daher Köppels Glück, eine Niederlage hätte eine offene Trainerdiskussion zur Folge gehabt. So sagte Manager Peter Pander diplomatisch: „Wir haben 30 Punkte, das ist schon in Ordnung“, verzichtete jedoch nicht darauf, eine deutliche Steigerung von seinem Trainer zu fordern. „Es ist klar, dass wir uns spielerisch verbessern müssen“, erklärte Pander. Aber so lange das Schicksal derart eng an Köppels Seite steht, kann dem Mann so schnell nichts passieren.