Wenn nicht hier, dann nirgends

Bei einem Rückzieher Bremens müsste der Kirchentag 2009 komplett ausfallen, sagt der Leiter des Organisationskomitees. Der CDU-Innensenator möchte das trotzdem diskutieren. In der Tat wurde der finanzielle Gewinn bisher sehr schön gerechnet

Bremen taz ■ Bei einer Streichung der Landeszuschüsse für den 2009 in Bremen geplanten Evangelischen Kirchentag wäre eine Verlegung in eine andere Stadt nicht mehr möglich – die Veranstaltung müsste komplett ausfallen. Dies bestätigte der Leiter des Organisationskomitees des Kirchentages, Henkel gegenüber der taz. Die Planungszyklen seien derartig lang, dass es bereits jetzt zu spät sei, eine Ausweichmöglichkeit zu suchen. Dies wäre ein Novum in der 57-jährigen Geschichte der Veranstaltung. Vergangene Woche hatte Innensenator Röwekamp in einem Fernsehinterview vorgeschlagen, wegen der von Bremen beizutragenden 7,5 Millionen Euro auf die Ausrichtung in Bremen zu verzichten.

In der Innenbehörde zeigt man sich unbeeindruckt vom Katastrophenszenario der Veranstalter. Ein Sprecher des Ressorts sagte, der Vorschlag von Röwekamp müsse trotzdem diskutiert werden. Schon im Vorfeld hatte es Debatten über die vergleichsweise hohe öffentliche Bezuschussung der Kirchenveranstaltung gegeben. Das Land Niedersachsen und Hannover, wo der letzte Kirchentag stattfand, mussten mit insgesamt 5,4 Millionen Euro nur knapp die Hälfte der Gesamtkosten von 12,5 Millionen Euro beisteuern. Bremen hingegen soll für drei Viertel des für 2009 geplanten Etats in Höhe von 10 Millionen Euro aufkommen.

Die Kirchentagsleitung begründet diese Differenz mit dem Größenunterschied der Ausrichter: Die kleine bremische Landeskirche sei finanziell nicht im Stande, einen ähnlichen Beitrag zu leisten wie die deutlich größere hannoversche. Ein höherer Staatszuschuss sei daher Voraussetzung für die Ausrichtung in Bremen.

Klaus Schloesser, Sprecher des Senats, rät nun zu Geduld: Eine Entscheidung über den Kirchentag könne erst fallen, wenn das derzeit verhandelte „Investitionsgesamtpaket“ auf dem Tisch liege. In diesem wollen SPD und CDU die Etats für Investitionsprojekte der nächsten Jahre festschreiben. Es „sei der Ehrgeiz“ der Koalitionspartner, bis Ende Februar damit fertig zu sein, formuliert Schloesser.

Warum aber werden die Organisationskosten einer einmalige Großveranstaltung überhaupt als Investition eingestuft? Um dies zu verstehen, so Schloesser, „müsse man erst einmal einen Investitionsbegriff definieren“. Nämlich: Investition sei auch Imagepflege, „Bremen müsse als liebenswert“ wahrgenommen werden, so der Senatssprecher.

Die Pläne für den Bremer Kirchentag gehen auf die Initiative des ehemaligen Senators für kirchliche Angelegenheiten, Bürgermeister Henning Scherf (SPD), zurück. Dieser hatte – offenbar, um Vorstöße wie den von Röwekamp abzuwehren – beim Bremer Institut für Wirtschaftsforschung (BAW) ein Gutachten zu „regionalökonomischen Effekten“ des Kirchentages bestellt. Das Gutachten prognostiziert einen Nettoprofit von 25 Millionen Euro für den Landeshaushalt durch das Kirchenevent, wofür die Zuhilfenahme von allerlei Umweg-Rentabilitäten erforderlich ist. So wird neben den – mit 2,1 Millionen Euro eher mäßig ausfallenden – unmittelbaren Steuereffekten unterstellt, dass die Hälfte der Kirchentagsbesucher, rund 50.000 Menschen, in den darauf folgenden drei Jahren nach Bremen zurückkehren werden – als Touristen „mit einer deutlich höheren Ausgabenbereitschaft“. Zudem würden sie nicht etwa alleine wiederkommen, sondern 100.000 weitere Besucher mitbringen – als direkte Begleiter oder rekrutiert durch Mundpropaganda. Knapp 30 Millionen Euro sollen auf diese Weise innerhalb von drei Jahren nach Bremen fließen.

Damit nicht genug: 27 Stunden Hörfunk- und Fernsehberichterstattung über den Bremer Kirchentag sind laut Gutachten zu erwarten, dieselbe Zeit im Werbefernsehen würde fast 17 Millionen Euro kosten. Die dahinter stehende Annahme: Inhaltlich verdichtete und zielgruppenoptimierte 30-Sekunden-Spots seinen vergleichbar mit stundenlangen Gottesdienst-Übertragungen. Entsprechend werden die aus der Printmedien-Berichterstattung resultierenden „geldwerten Vorteile“ auf 13,7 Millionen Euro taxiert.

Christian Jakob